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Kassandraruf aus dem Haushaltsloch

■ Rechnungshofbericht 1997: Bankrott-Gefahr nicht gebannt

Auch wenn niemand mehr das Wort Sparen hören kann – die wirklich harten Zeiten kommen erst noch: „Das Haushaltsjahr 1996 endete mit einem vorläufigen Minus von 4,1 Milliarden Mark. Das Finanzdefizit für 1998 beträgt 8,9 Milliarden“, erklärte gestern der Präsident des Landesrechnungshofs, Horst Grysczyk, bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde für 1997. Er zog ein düsteres Fazit beim Blick in die Haushaltslöcher: Der Senat stehe vor der „größten haushaltspolitischen Herausforderung der letzten Jahrzehnte“. Er sei zwar mit dem Sparkurs auf dem richtigen Weg, aber die Lage habe sich im vergangenen Jahr weiter verschlechtert: „Die Gefahr einer extremen Haushaltsnotlage“, so Grysczyk, „ist nicht gebannt.“

Für die Arbeit der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) gab es zwar ein Lob: Die Finanzplanung für die Jahre 1996 bis 2000 sei „im Gegensatz zu den vergangenen Jahren besonders aussagekräftig“. Doch die Zahlen machen deutlich: Berlin nimmt zuwenig Geld ein und gibt zuviel Geld aus. Der Rückgang der Steuereinnahmen sei „besorgniserregend“. Im Jahr 1997 erwirtschafte das Land durch Steuereinnahmen nur etwa 39 Prozent seiner Ausgaben und bilde damit das Schlußlicht unter allen Bundesländern. Die Schulden des Landes stiegen auf 58 Milliarden Mark für das Jahr 1997 und würden bis 2000 etwa 70 Milliarden Mark erreichen, die gesamten Verbindlichkeiten Berlins zu diesem Zeitpunkt würden bei etwa 130 Milliarden Mark liegen. Grysczyks Fazit: „Eine strukturelle Konsolidierung des Haushalts ist bisher nicht gelungen.“

Schuld daran sind die sinkenden Einnahmen und steigenden Kosten, aber auch die politische Unfähigkeit zum Sparen und die gedankenlose Verschwendung von Steuergeld: Auf 790 Millionen Mark bezifferte der Rechnungsprüfer die Summe der „finanziellen Beanstandungen“, wo das Land zuviel ausgegeben oder zuwenig eingenommen habe – die von der Behörde vorgeschlagenen Einsparungen von 1,2 Milliarden Mark beim Personal nicht mitgerechnet. Bei diesem Posten, der ein Drittel des gesamten Haushalts ausmacht, wurden seit 1991 zwar knapp 20.000 Stellen eingespart – doch die Ausgaben stiegen um 2,8 Milliarden Mark, weil Beförderungen die Kasse belasteten. So sei die Zahl der Beschäftigten im höheren Dienst von 1992 bis 1995 von 8.018 auf 21.078 gestiegen.

Um das Land vor dem Bankrott zu retten, sei der Verkauf von Landesvermögen zwingend notwendig, betonte Grysczyk. Andererseits sei ein harter Sparkurs auch gefährlich: „Die Budgetierung von Ausgaben führt zu einer erheblichen Einschränkung parlamentarischer Kontroll- und Steuerungsrechte.“ Der Rechnungshof-Chef versäumte es nicht, auf die Produktivität seiner Behörde hinzuweisen: 1996 erwirtschaftete das Land durch deren Hinweise 83,3 Millionen Mark. Die Arbeit des Rechnungshofes kostete dagegen nur 25,3 Millionen. Bernhard Pötter

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