piwik no script img

Kaserne als KulturstandortKünstler erwägen Kauf

Die Künstler des Frappant e. V. können den Mietpreis nicht zahlen, den die Stadt für die Viktoria-Kaserne vorsieht. Nun überlegen sie, das Gebäude zu kaufen.

Sanieren wird teuer: die Viktoria-Kaserne in Altona-Nord. Bild: Klaus Irler

HAMBURG taz | Über dem Hof der Viktoria-Kaserne in Altona ist ein Netz aus Feuerwehrschläuchen gespannt. Im Sommer wurde es genutzt als überdimensionale Hängematte. Im November nun hängt das Netz regennass über dem Laub. Aber seine Symbolkraft ist größer denn je: Die Frage des Verbleibs der Künstler in der Viktoria-Kaserne ist zu einer Hängepartie geworden.

Im März 2010 zogen die 150 Künstler aus dem Frappant-Komplex, der für Ikea weichen musste, mit Zwischennutzungsverträgen in die denkmalgeschützte ehemalige Polizeikaserne. Seitdem ist unklar, ob sie bleiben können, und wenn ja, zu welchen Bedingungen. Die Verhandlungen mit der Stadt als Eigentümerin des Gebäudes sind weit davon entfernt, zu einem Ende zu kommen.

Immerhin hat die Stadt signalisiert, dass sie die Nutzung der Kaserne als Kulturstandort gut findet – längst ist die Viktoria-Kaserne nicht nur als Atelierhaus, sondern auch als Ort für öffentliche Kulturveranstaltungen bekannt. Außerdem wird mittlerweile nicht nur über ein Mietverhältnis verhandelt: Die Künstler denken darüber nach, ob sie die Kaserne kaufen.

Die Kauf-Überlegung gibt es, seit die Stadt ihre Vorstellung für einen längerfristigen Mietpreis genannt hat. Momentan zahlen die Künstler 5,25 Euro Warmmiete pro Quadratmeter. Das wird durch eine Subvention der Kulturbehörde in Höhe von zwei Euro pro Quadratmeter ermöglicht. Diese Subvention soll perspektivisch wegfallen, außerdem soll das Gebäude saniert werden und deswegen die Miete steigen. 2015 soll sie dann bei 10,50 Euro pro Quadratmeter liegen.

Die Idee, die Kaserne dann lieber gleich zu kaufen, ist realistischer, als es scheint. „Die Stadt hat uns ein wohlwollendes Angebot gemacht für den Kaufpreis des Grundstücks“, sagt das Vorstandsmitglied des Künstlervereins Frappant e. V., Miguel Ferraz. „Aber wenn wir kaufen, müssen wir auch die Sanierungskosten übernehmen, und die sind sehr hoch.“ Wie hoch genau, wollen die Künstler nicht sagen. Nur so viel: Es ist noch kein zweistelliger Millionenbetrag.

Der Frappant e. V. bastelt nun an einem Finanzierungskonzept. Der Verein ist im Gespräch mit der nicht-kommerziellen Beteiligungsgesellschaft Mietshäuser Syndikat, mit dem alternativen Projektentwickler Stattbau und mit Stiftungen. Das Ziel sei es, eine Finanzierungsform zu finden, die einen etwaigen späteren Verkauf des Gebäudes an einen Investor unmöglich macht. Es soll kein Privateigentum einzelner gebildet werden. Das Nutzungskonzept sieht dann ein selbst verwaltetes Haus nicht nur für Künstler, sondern auch für Akteure aus dem sozialen- und dem Bildungsbereich vor.

Die Finanzbehörde bestätigt die Verhandlungen: „Sowohl eine Mietlösung als auch ein Verkauf kommen in Frage“, sagt Sprecher Daniel Stricker. Beim Frappant e. V. hat man den Eindruck, dass die Stadt das Verkaufs-Modell favorisiert: „Die Behörden wären froh, wenn sie uns los wären“, sagt Ferraz.

Weil die Kauf-Variante viele Fragezeichen birgt, entwickelt der Frappant e. V. auch die Miet-Variante weiter. In diesem Fall wären rund 130.000 Euro pro Jahr an Mehrkosten gegenüber dem Status quo zu stemmen. Dann müsste auf jeden Fall die Politik helfen. Auch nicht ganz einfach.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • L
    limbodancer

    @ GoBenn

     

    Die Leute aus der Kaserne haben sich doch selbst in diese Position gebracht. Erst im Frappant auf dicke Hose machen, aber kaum in Kontakt mit Leuten gehn die da wohnen. Dann so tun als wär man gegen Ikea in Altona, dann sich "vertreiben" lassen, dann den Namen Frappant behalten aus Marketinggründen. Die sind doch nicht ernst zu nehmen, kämpfen nur für sich und die eigenen Interessen.Es war von Anfang an klar, dass die sich nich die Kaserne leisten können.Entweder kämpfen oder klappe halten, rumjammern is echt out.Und der Zeitpunkt zum kämpfen ist verpasst worden. Stattdessen wurden nach dem Umzug fleissig auch nicht wenige Ikea- Möbel in die Kaserne geschleppt.Da muss man nich debattieren ob gespalten wird. Das ist hausgemacht, nur ohne Haus.

  • H
    huhn

    Häh? Ich kann mich aber noch gut erinnern wie damals gejammert wurde, die doofe Kaserne sei gar nicht vergleichbar mit dem tollen Frappant-Gebäude, sie sei völlig ungeeignet, man werde dahin abgeschoben, etc.

     

    Merke: Politische Kunst ist nicht, sich dafür einzusetzen, dass die anderen einem möglichst die Selbstverwirklichung finanzieren sollen.

  • G
    GoBenn

    "Was ist das für eine Ungerechtigkeit?"

     

    Was ist das immer und immer wieder für eine Debatte, die einzelne kreative und soziale Gruppen gegeneinander ausspielen will?

  • A
    Altonaerin

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Wieso nennen die Künstler sich Frappant e.v.?

     

    Als es um den Erhalt des Frappant ging (verhinderung

    IKEA).Waren die doch ganz schnell weg!Oder?

     

    Diese Künstler sind ganz schnell da,wenn es um ihren Vorteil geht.

     

    Sie sind die Tür und Tor öffner,der Aufwertung.

     

    Die brauchen wir in Altona nicht.

  • FS
    Felix Schmidt

    Ich verstehe auch nicht, was an diesem Projekt für die Stadt so wichtig ist, dass sie es mit derart hohen Summen subventioniert und dies auch weiterhin machen soll.

     

    Ist das nicht eher eine Angelegenheit des Bezirkes Altona? Was hat die Kulturbehörde dort verloren?

     

    Man kann Geld auch sinnvoll ausgeben.

  • H
    Heiner

    Von einer Zusammenarbeit mit Stattbau kann ich nur abraten. Ich würde lieber auf eine der anderen Stadtenwicklungsgesellschaften ausweichen. Stattbau hat ganz gute Kontakte in die Stadtverwaltung aber nach Vertragsabschluss lässt die Hilfe sehr stark nach und viele der Aufgaben werden auf die Projektbeteiligen umgewälzt

    Gruß Heiner

  • O
    olaf

    "Dann müsste auf jeden Fall die Politik helfen."

     

    Sozialen Einrichtungen in Hamburg wird das Geld gestrichen und stehen vor dem Aus, weil die Politik nicht mehr zahlen will (weil angeblich das Geld fehlt) - was ist das für eine Ungerechtigkeit!?

     

    Dafür werden nur wenige Verständnis aufbringen!

     

    Warum nicht Erbpacht? Dann bleibt diese Immobilie wenigstens in Allgemeinhand und geht nicht an Privateigentümer verloren!