Kasachstan: Erste Leiche in Staatsaffäre
Eine vermisste TV-Moderatorin wird tot aufgefunden. Unter Verdacht steht der Exschwiegersohn des Präsidenten.
ALMATY taz Die Leiche der TV-Moderatorin Anastasia Nowikowa lag drei Jahre verscharrt und unerkannt in Südkasachstan. Am 7. August berichtete ein Sprecher des kasachischen Innenministeriums, dass die Frau im Juni 2004 in Beirut starb und von zwei Mitarbeitern von Rachat Alijew, dem damaligen Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, mit einem Charterflugzeug nach Kasachstan gebracht wurde.
Die Affäre um den gefallenen Ehemann der Präsidententochter des Steppenstaates hat die erste Leiche. Die kasachischen Behörden beschuldigen Alijew, drei Manager des kasachischen Geldinstituts Nurbank, deren Hauptaktionär Alijew war, im Februar 2007 entführt zu haben. Zwei von ihnen sind vermisst.
Das Verschwinden der Geschäftsmänner hatte die Öffentlichkeit in Kasachstan derart empört, dass der Präsident den Ehemann seiner Tochter Dariga als Botschafter nach Wien schickte, um ihn aus der Schusslinie zu bringen. Im Mai entschied sich Nasarbajew jedoch, ein Verfahren gegen Alijew zuzulassen. Der einst allmächtige Kasache verlor den Botschafterposten in Österreich und wurde über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Kasachstan fordert seither die Auslieferung des Diplomaten.
Alijew bestreitet alle Vorwürfe. Dariga Nasarbajewa ließ sich per Fax von ihrem Mann scheiden, mit dem sie ein einflussreiches Medienimperium in Kasachstan aufgebaut hatte. Nasarbajewa konnte nicht verhindern, dass sie in den Sog der Affäre geriet. Sie musste sich von ihren politischen Ambitionen vorerst verabschieden. Bei den Parlamentswahlen am 18. August kandidiert sie nicht und verlor auch ihren Posten im Vorstand der väterlichen Partei Nur Otan.
Naserbajewa gelang es, die Firmenanteile ihres Exmannes auf sich und ihren Sohn zu überschreiben. Mitarbeiter und Verwandte Alijews wurden verhaftet. Sie gaben bei Verhören den Hinweis auf die getötete TV-Moderatorin, die eine Geliebte Alijews gewesen sein könnte. Erst Anfang August erfuhr die kasachische Öffentlichkeit, dass die junge Frau aus Usbekistan von ihren Angehörigen in Taschkent seit Sommer 2004 vermisst wurde.
Das auflagenstarke Blatt Vremja veröffentlichte Bilder und E-Mails, die ihr Bruder in die Redaktion brachte. Daraus geht hervor, dass Nowikowa 2002 nach Almaty kam und in einem TV-Sender, der Alijew unterstand, eine Horoskopsendung moderierte. In den Briefen berichtet sie über eine Beziehung zu einem verheirateten und sehr einflussreichen Mann. Nowikowa zog nach Wien und dann nach Beirut und brachte eine Tochter zur Welt. Die letzte E-Mail erhielt die Familie am 3. Juli 2004.
Die Hinweise in den elektronischen Briefen, wenn diese echt sind, lassen kaum eine andere Interpretation zu, als dass Alijew der Geliebte Nowikowas war und Vater der Tocher ist. Im Mai 2004 heiratete Nowikowa jedoch Danjar Esten, einen Verwandten Alijews, der in der kasachischen Botschaft in Wien als Fahrer tätig war. Die in der letzten E-Mail versprochenen Hochzeitsfotos schickte die Braut nicht mehr. Ein Jahr später starb auch Esten bei einem Autounfall in Wien.
Die Einzelheiten des "Rachatgate" beflügeln die Opposition. Der Tod der jungen Frau und die mögliche Verwicklung des Expräsidentenschwiegersohn wird heftig diskutiert. "Man fragt sich, was noch alles unter Nasarbajew möglich war und ist", sagte der Oppositionspolitiker Bulat Abilow.
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