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Karstadt am Berliner HermannplatzDenkmalschutz unter Druck

Um Bauen zu beschleunigen, will Schwarz-Rot den Denkmalschutz reformieren. Erster Lackmustest könnte Karstadt am Hermannplatz sein.

Welcher Denkmalschutz darf es sein für das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz? Foto: Jürgen Ritter/imago

Berlin taz | Abriss des Gebäudes bis auf das Betonskelett, anschließend Aufstockung durch mehrere Etagen und eine komplett neue Fassadengestaltung – die Pläne des Immobilienunternehmens Signa für den Karstadt am Hermannplatz hören sich nicht gerade nach einem behutsamen Umgang mit einem Baudenkmal an.

Trotz wachsender Bedenken, ob Signas an den monumentalen Art-déco-Vorgänger angelehnte Rekonstruktion mit dem Denkmalschutz vereinbar ist, treibt der Senat die Planungen unverändert voran. Das legt zumindest der Bebauungsplan nahe, der seit ein paar Tagen online und in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenStadt) im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung öffentlich zur Kommentierung ausliegt.

„Das Warenhaus am Hermannplatz [soll] an der Ursprungsgestalt von 1927-29 orientiert werden“, heißt es in der 64-seitigen Begründung des Bebauungsplans. Damit keine Zweifel aufkommen, dass mit der Formulierung womöglich etwas anderes als Signas Wunschvorstellung gemeint sein könnte, hängt die Senatsverwaltung zu Illustrationszwecken gleich noch dieselbe Simulation in den Anhang, mit der das Unternehmen seit Jahren bei Politik und Stadtgesellschaft für sein Projekt wirbt.

Als Baudenkmal eingetragen

Dabei sieht es so aus, als könne der Denkmalschutz Signas ambitionierten Rekonstruktionsplänen einen Strich durch die Rechnung machen. Schon Ende vergangenen Jahres meldete die beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg angesiedelte untere Denkmalschutzbehörde Bedenken an.

Die CDU-SPD-Koalition will den Denkmalschutz neu ausbalancieren

Der Grund: Auch der in den 1950er Jahren errichtete und später mehrfach erweiterte Nachfolgebau ist in der Denkmalliste als Baudenkmal eingetragen. Signa ging in ihren Planungen ursprünglich davon aus, dass ein kleines Gebäudefragment an der Südseite, das die Sprengung des Vorgängers durch die SS überlebte, unter Denkmalschutz steht.

Auf taz-Anfrage bezeichnet Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) die im Bebauungsplan dargestellte Planung als weiterhin „denkmalrechtlich kritisch“ und schätzt Signas Vorhaben in dieser Form als „nicht umsetzbar“ ein. Zur Klärung offener Fragen kündigte der Bezirk an, ein Gutachten in Auftrag zu geben.

Auch der Landesdenkmalrat, ein beratendes Expertengremium, das dem Senat in Streitfragen Empfehlungen gibt, kritisierte Signas Pläne deutlich. „Der vorgestellte Entwurf […] weist erhebliche Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz […] auf“, heißt es in einem Protokollmitschnitt vom 3. März, der der taz vorliegt.

Zudem bemängelt das Gremium, die Einbindung der Denkmalbehörde sei viel zu spät erfolgt, andere Optionen seien nicht erwogen worden.

Roter Teppich für In­ves­to­r:in­nen

Auf taz-Nachfrage, ob und wie die Empfehlungen des Landesdenkmalrats berücksichtigt werden, antwortet die Senatsverwaltung weitaus zurückhaltender: Die Empfehlungen des Landesdenkmalrats fänden „im Zuge des gesetzlichen Abwägungsgebotes eine Berücksichtigung“. Die Antwort lässt sich auch so lesen, dass der Bezirk im Zweifel die Bedenken einfach ignorieren könnte.

Besonders brisant wird der Konflikt zwischen Senatsverwaltung, Bezirk und Signa vor dem Hintergrund der Neuwahlen im Februar. Im Koalitionsvertrag kündigt die frisch gebackene CDU-SPD-Koalition an, den Denkmalschutz „neu ausbalancieren“ zu wollen, um für mehr Tempo beim Klimaschutz, Wohnungs- und Schulneubau zu sorgen.

Kri­ti­ke­r:in­nen fürchten, dass mit „balancieren“ vor allem eine Schwächung des Denkmalschutzes gemeint ist, mit der für In­ves­to­r:in­nen lästige Hürden für Neubauprojekte aus dem Weg geräumt werden sollen. „Der Denkmalschutz gerät zunehmend unter Druck“, schätzt Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion, die Pläne der neuen Regierung ein und spricht von einer gezielten „Deregulierung für Investor:innen“.

Während unklar ist, in welcher Form Schwarz-Rot das Denkmalschutzgesetz reformieren will, siedelte der neue Senat bereits wenige Tage nach seiner Konstitution die oberste Denkmalschutzbehörde und das Landesdenkmalamt wieder bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an. Zuvor war die Behörde seit 2016 der Kultursenatsverwaltung unterstellt. Dieser Schritt im ersten rot-rot-grünen Senat galt als besondere Würdigung des Denkmalschutzes, da sich in Streitfragen die Senatsverwaltungen untereinander abstimmen mussten.

Die Verschiebung der Zuständigkeit ermöglicht es nun Bausenator Christian Gäbler (SPD), in Streitfällen im Zweifel die Denkmalschutzbehörden einfach zu überstimmen. „Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann nun Bedenken viel schneller intern wegwischen“, fürchtet auch Julian Schwarze, Stadtentwicklungsexperte der Grünen-Fraktion. Ziel sei ein „schnelleres Durchregieren“.

Beteiligung war eine Farce

Die Senatsverwaltung begründet den Schritt hingegen damit, dass mit der Integration der Denkmalschutzbehörde vor allem Planungs- und Abstimmungsprozesse beschleunigt werden.

Der Karstadt am Hermannplatz scheint also zum ersten Lackmustest für den Stellenwert des Denkmalschutzes in der neuen Koalition zu werden. Bisher hatte der Senat Signa alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Nach dem Veto des Bezirks zog der Senat Ende 2021 auf Druck Signas das Bebauungsplanverfahren an sich; die von Signa versprochene Beteiligung der Zivilgesellschaft stellte sich schnell als Farce heraus.

Der Senat rechtfertigte sein Entgegenkommen bislang mit dem „Letter of Intent“ (LOI) genannten Deal mit Signa vom August 2020. Als der Warenhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof, dessen Eigentümer ebenfalls Signa ist, zum ersten Mal Insolvenz anmeldete, bot das Immobilienunternehmen dem Senat an, vier von der Schließung bedrohten Filialen zu retten. Im Gegenzug sicherte die Stadt dem Unternehmen zu, drei ins Stocken geratene Bauprojekte voranzutreiben – eins davon am Hermannplatz.

Mittlerweile hat Signa wesentliche Zusagen der nicht rechtlich bindenden Absichtserklärung gebrochen. Im Zuge der zweiten Insolvenz ist die Schließung zwei der damals geretteten Filialen beschlossen. Ein Grund, den Denkmalschutz beim Karstadt am Hermannplatz hintanzustellen ist der LOI schon lange nicht mehr.

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6 Kommentare

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  • Schwer nachzuvollziehen, welche Denkmalschutz-Argumente es gegen eine denkmalgerechte Rekonstruktion des Art-Decó-Warenhauses aus den 1920er Jahren geben sollte...

  • Wirkt irgendwie kleinkariert, wie sich verschiedene Kreise vor allem für den bisherigen Bau einsetzen, weil er so gnadenlos hässlich ist.

  • Der Umbau in die Filzokratie beginnt... Traditionell werden Investoren und `Großkopferte´ im Bauwesen besonders gerne von CDUSPD hofiert - es ist also kein Zufall, dass in diesem Bereich die `hinderlichen´ Bestimmungen und Gesetze besonders schnell geschliffen werden! Das ist erst der Anfang - wir werden uns noch die Augen reiben, was konservative Wende in Berlin bedeutet!

  • Der Autor hängt sich ganz schön weit aus dem Fenster, wenn er behauptet, dass Galeria-Karstadt-Kaufhof den LOI gebrochen habe. Der im August 2020 geschlossene Vertrag sicherte der Konzern unter anderem den Weiterbetrieb dr Standorte Wilmerdorfer Straße und Müllerstraße für die Dauer von zunächst drei Jahren zu (siehe fragdenstaat.de/bl...ur-arbeitsplatze/). Schließung ist im Januar 2024. Wo sollte da die Nichteinhaltung sein.

    Herr Baustadtrat Schmidt hat schon früh seine Ablehnung gegen das Vorhaben öffentlich bekundet und bereits früher rechtliche Regelungen über Gebühr missbräuchlich zur Anwendung gebracht (insbesondere Vorkaufsrecht). Im Ergebnis kommt es dann eher auf das Landesdenkmalamt bzw. den Landesdenkmalrat in Berlin an.

    • Jonas Wahmkow , Autor des Artikels,
      @DiMa:

      Die versprochene Summe 45 Millionen in die Standorte wurde nie getätigt. Über die Mindestgarantie von 3 Jahren legt der LOI fest, dass ein Weiterbetrieb für 10 Jahre angestrebt wird - In der Wilmersdorfer Straße wurde ein Weiterbetrieb von Signa abgelehnt, aber nach außen argumentiert, der Immobilieneigentümer wolle abreißen. In der Müllerstraßen hat Signa allen Beschäftigten gekündigt, obwohl der Standort nach dem Umbau erhalten bleiben soll.



      Generell ist der LOI rechtlich nicht bindend, sondern, wie der Name schon sagt eine "Absichtserklärung". Das Signas Absicht nicht der Erhalt von Warenhäuser ist, ist in den letzten Jahren sehr deutlich geworden.

      • @Jonas Wahmkow:

        Gegen "angestrebt" wurde auch nicht verstoßen, zumindest ist dies nicht erkennbar. Und ob die EUR 45 Mio. Jetzt investiert worden sind oder nicht lässt sich nicht ohne weiteres herausfinden. Hierzu hätte es einer Stellungnahme des Unternehmens bedurft. Der im Artikel gemachte Vorwurf ist jedenfalls bestenfalls verkürzt.

        Auch die nicht bestrittene Tatsache, dass die Vereinbarung rechtlich nicht bindend ist, ändert dann nichts.