piwik no script img

Karsai-Regierung sucht DialogVersöhnungsplan mit Taliban

Die Karsai-Regierung sucht den Dialog mit den bewaffneten Aufständischen. Das Programm soll sich sowohl an die einfachen Kämpfer wie an die Führung der Taliban wenden.

Vormals militante Taliban bei einer Veranstaltung der afghanischen Regierung in Kabul. Bild: ap

Erstmals hat die Karsai-Regierung eine Strategie für eine Versöhnung mit den Taliban erarbeitet. Mit dem "Politik für eine nationale Versöhnung und Reintegration bewaffneter Oppositionsgruppen" betitelten Entwurf kommt die Regierung dem Wunsch der internationalen Verbündeten nach, bei einer Einbindung der Taliban die Führung zu übernehmen.

Präsidentensprecher Wahid Omar sagte am Dienstag vor der Presse in Kabul, "der umfassende Plan" würde bald veröffentlicht werden. Man wolle die bewaffneten Gegner der Regierung dazu bewegen, friedlich am politischen Leben teilzunehmen, und garantiere ihnen im Gegenzug den Schutz ihres Lebens und ihres Besitzes. Vizepräsident Karim Chalili hatte bereits am Samstag vor dem Unterhaus in Kabul angekündigt, seine Regierung werde Ende Januar auf der internationalen Afghanistankonferenz in London "Unterstützung in vier Schlüsselfragen" erbitten, darunter für eine "Versöhnung mit den Taliban und anderen aufständischen Gruppen".

Der taz liegen Informationen vor, dass sich das Versöhnungsprogramm sowohl an die einfachen Kämpfer wie an die Führung der Taliban wenden soll. Ein neues, direkt dem Präsidenten unterstelltes Büro soll den Versöhnungsprozess koordinieren. Das genaue Verfahren, mit dem man dieses Programm in die Tat umsetzen will, soll im Februar die Loya Jirga, die traditionelle Notablenversammlung, beschließen. Als Voraussetzungen für eine Versöhnung werden genannt: die Anerkennung der geltenden Verfassung, der Verzicht auf Gewaltanwendung und die Loslösung von al-Qaida.

In dem Entwurf wird zwischen "versöhnlichen" und "unversöhnlichen" Regierungsgegnern unterschieden. Unversöhnlich seien jene, die mit Geheimdiensten der Nachbarländer und mit al-Qaida kooperierten. Möglich sei hingegen eine Versöhnung mit jenen, die sich aufgrund von Korruption und "Schikanen" durch Offizielle von der Regierung abgewandt hätten. Diese Gruppe umfasse auch Mitglieder der Talibanführung. Damit erkennt die Regierung Hamid Karsais erstmals eine Mitverantwortung für das Anwachsen der Aufstandsbewegung an - auch wenn sie diese einzelnen Funktionsträgern auf lokaler Ebene anlastet.

Offiziell haben die Taliban stets Gespräche abgelehnt, solange ausländische "Invasoren" im Land seien. Aber informelle Kontakte bestehen bereits, vor allem auf lokaler Ebene, wo die Taliban und ihre Gegner oft miteinander verwandt sind. Solche Kontakte wurden bisher jedoch nicht in eine Politik eingebunden. Die Erfolgschance der neuen Strategie könnte darin liegen, hier anzuknüpfen.

Auch auf oberster Ebene existieren Berührungspunkte: Mullah Beradar, der Stellvertreter des Talibanchefs Mullah Omar, gehört demselben Paschtunenstamm wie Karsai an. Die niederländische Journalistin Bette Dam beschreibt in einem jüngst veröffentlichten Buch, wie Beradar im Jahr 2001 Karsai das Leben rettete, als dieser in Südafghanistan eine Antitalibanfront eröffnet hatte und die Kandaharer Taliban ihn jagten.

Zugleich hat die Regierung jüngst im UN-Sicherheitsrat als vertrauensbildende Maßnahme eine Überprüfung der Sanktionen gegen frühere Talibanfunktionäre angeregt, die längst offizielle Positionen in Kabul bekleiden. Dazu gehören ein Senator und mehrere Parlamentarier, die für eine künftige Kontaktgruppe infrage kämen.

Die Geberländer müssen nun verhindern, dass die neue Strategie - wie ein gescheitertes Vorgängerprojekt - an korrupten Strukturen scheitert. Und darauf achten, dass jene Afghanen, die eine Versöhnung mit den Taliban skeptisch betrachten - Frauen, Teile der Zivilgesellschaft und ethnische Minderheiten - in einen Konsens eingebunden werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • A
    Agnostiker

    Wenn es ohne Taliban keinen Frieden gibt, dann gibt es gar keinen Frieden, denn mit den Taliban gibt es keinen Frieden, es sei dann sie sind an der Macht. Dann gibt es aber für alle Nicht-Taliban keinen Frieden und z.B. Frauen dürfen nicht mehr in die Schulen und werden wieder in Stadien zu Hinrichtung zusammen getrieben, wenn sie nicht den archaischen Regeln der Taliban folgen. Ich für meinen Teil bin überzeugt, dass sich die Wörter "Taliban" und "gemäßigt" logisch ausschließen.

     

    Aber das alles scheint vielen "Linken" wurscht zu sein.

  • L
    Linda

    "In dem Entwurf wird zwischen "versöhnlichen" und "unversöhnlichen" Regierungsgegnern unterschieden. Unversöhnlich seien jene, die mit Geheimdiensten der Nachbarländer und mit al-Qaida kooperierten."

    Zählen diejenigen Kriegsverbrecher,Fundamentalisten,

    Frauenfeinde,Terroristenkumpels,die mit den USA und deren Geheimdiensten kooperier(t)en und derzeit im afghanischen Parlament bzw. der Regierung sitzen,zu den versöhnlichen oder unversöhnlichen Gegnern?

    Nafeez Mosaddeq Ahmed:

    "Continued US sponsorship of the al-Qaeda-Taliban nexus in Afghanistan was confirmed as late as 2000. Testifying before the Senate Foreign Relations Sub-committee on South Asia, Dana Rohrabacher – former White House Special Assistant to President Reagan and now Senior Member of the House International Relations Committee – declared: ‘This administration has a covert policy that has empowered the Taliban and enabled this brutal movement to hold on to power.’ The assumption was that ‘the Taliban would bring stability to Afghanistan and permit the building of oil pipelines from Central Asia through Afghanistan to Pakistan’. US companies involved in the project included Unocal and Enron. As early as May 1996, Unocal had officially announced plans to build a pipeline to transport natural gas from Turkmenistan to Pakistan through western Afghanistan. US officials held several meetings with the Taliban from 2000 to the summer of 2001, in an effort to get the Taliban to agree to a joint federal government with their local enemies, the Northern Alliance. In exchange, they promised the Taliban financial aid and international legitimacy. But eventually US policymakers concluded that the Taliban would never bring the stability needed for the pipeline project. According to Pakistani Foreign Minister Niaz Naik, who was present at the meetings, US officials threatened the Taliban with military action if they failed to comply with the federalization plan. Even a date for threatened military action – October 2001 – was proposed. The Taliban rejected the plan. So months before the 9/11 terrorist attacks, a war on Afghanistan was already on the table."

     

    http://www.newint.org/features/2009/10/01/blowback/

  • S
    Sonne

    rboert - Ihr Kommentar spricht für Ihre Unkenntnis. Ich empfehle Ihnen, mal auf die Internetseite der afghanischen Frauenvereinigung RAWA zu gucken. Dort gibt es auch eine Seite in deutscher Sprache.

  • A
    axel

    hallo taz,

    eure sprachregelung "karsai-regierung" für ein wahlfälschendes, korruptes, undemokratisches, massiv in den drogenhandel verstricktes regime, beschönigt und verschleiert die politischen zustände in afghanistan - auch wenns der usa- und der nato-schönrederei entspricht.

  • PB
    Pater Brown

    "Versöhnungsplan mit Taliban" - Da möchte ich doch an diverse "Wahrheit"-Texte von Gerhard Henschel erinnern dürfen: Es geht nicht um einen "Plan mit Taliban", sondern um einen Plan zur "Versöhnung mit Taliban".

  • R
    rboert

    Leider begreift man erst jetzt, dass es ohne die Taliban in Afghanistan keinen Frieden geben kann. Es ist aus meiner Sicht sinnvoll, gemäßigte Taliban in eine Regierung einzubinden. Die Linke hat dies übrigens schon seit Jahren gefordert.