: Karneval an der Weser
■ Werder landet nach pointenreichem Vortrag als lachender Elfter in der Bundesligatabelle / Es half mal wieder das Werderwunderwetter
Zwei Jahre mussten die Bremer Fußball-Humoristen auf den Besuch ihrer Kölner Freunde verzichten, und das Ende des Entzugs feierte man mit neuer Spezialbeflaggung in der Ostkurve: Bremer Specktuch, Werder Grün-Weiß und die Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold.
Und wie es sich für eine ordentliche Karnevalssitzung gehört, erschienen die Geißböcke verkleidet. Schwarz-Gelb statt Rot-Weiß. Vielleicht ein Psychotrick? Weil ja Borussia Dortmund im ähnlichen Outfit hier die Punkte holte. Dazu der muntere gegenseitig adressierte Schlachtgesang: „Ihr seid nur ein Karnevalsverein.“ Und wenn jetzt noch jemand Konfetti gestreut hätte, wäre die Stimmung perfekt gewesen. Aber die stieg auch so sehr schnell, denn Werder schien die Bordeaux-Pleite treffend analysiert zu haben.
Bode in der Viererkette auf dem linken Flügel, Tjikuzu auf der rechten Seite. Das garantierte mehr Druck auf den Außenbahnen und dazu der bewegliche Ailton. Das ermöglichte variables Spiel, gefährliche Flanken von der Grundlinie. Die eine oder andere gelang sogar Tjikuzu (sollte man das etwa trainiert haben?). Auch Frings sorgte in der Vorwärtsbewegung für Akzente und so war bis Mitte der ersten Halbzeit deutlich zu erkennen, wer die Heimelf war.
Die Kölner zeigten so ab der 25. Minute, warum man nicht zur Mauerblümchenfraktion der Aufsteiger gehörte, kamen mit den schnellen Spitzen mit Kurth und Timm und Scherz, denn ein Scherz gehört zu jedem guten Karnevalsverein. Für Scherze, allerdings der groben Art waren die Bremer zuständig. Stalteri handelte sich zunächst eine etwas unglückliche, dann eine hochverdiente gelbe Karte ein. Und die zweite Gelbe ist bekanntlich immer rot.
Die Kölner Fangemeinde spendierte einen Tusch, hatte aber unterschätzt, dass Bremer in solchen Fällen eigentlich keinen Spaß verstehen und das Kölner Team für solche Fälle nicht ausgelegt ist. Ewald Lienen, der ehrliche Ewald, bekannte nach dem Spiel: Wir sind eine Kontermannschaft, ein Platzverweis kommt uns nicht entgegen. Ein zweiter Platzverweis gegen die Bremer wäre hilfreich und auch möglich gewesen, denn der Brasilianer Ailton sorgte für die interessanteste Fußnote des ganzen Spiels, als er kurz vor der Halbzeit in den Weserniederungen ein Kölner Hinterteil mit der Poebene verwechselte und in selbige kräftig hineintrat. Doch der Sitzungspräsident dieser Partie, Herr Kemmling aus Burgwedel, war wohl kurzfris-tig abgelenkt und schickte zehn, statt nur neun Bremer in die Sitzungspause.
In der zweiten Halbzeit hätte es dann ein strategisch interessantes Nullzunull-Spiel werden können, wenn die Kölner ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht aus Versehen zum Führungstreffer genutzt hätten. Der frisch eingewechselte Arveladse drehte sich um die eigene Achse und gleichzeitig um den Bremer Verteidiger Ernst. Eine gewitzte Aktion mit Torerfolg und der Folge, dass Werder nun nichts mehr zu verlieren hatte, den Ernst aus der Partie nahm und mit Bogdanovic dafür ein weiterer Stürmer ins Spiel kam. Und wären die Bremer Fans erprobte Karnevalisten, dann hätten sie lauthals verkündet: „Der Prinz kütt!“
Aber es war erst die 71. Spielminute und da konnte ja niemand ahnen, dass der im Bordeauxspiel so freudlos agierende Bogdanovic schon zwei Minuten später zum torpointensetzenden Spaßvogel würde. Pizarro hatte vorher dem Kölner Verteidiger Cichone die Pappnase aufgesetzt, ihm Luftschlange und Ball geklaut, mit Überblick auf Bogdanovic zurückgelegt und der schlenzte trocken ins rechte Eck. Ausgleich. Tusch!
Der Kölner Elferrat reagierte relativ ratlos. Haben wir noch einen Gag auf Lager? Nein, hatten sie nicht. Aber Werder. Nach Herzog-Freistoß sprangen alle im Kölner Strafraum in die Luft, Bogdanovic blieb am längsten oben, der Ball hüpfte auf seinen Kopf und von dort ins Tor und schon war der Jugoslawe nicht mehr der Prinz, sondern der König vom Weserstadion. Tusch und noch'n Tusch und noch'n Tusch.
Und dort regiert „Rade, der Ers-te“ noch fast bis zum Ende der Karnevalssaison, denn Werder präsentiert sich bundesligamäßig erst Ende Januar wieder den Fans. Ob die dann in Feierlaune sind, hängt davon ab, wie die drei Auswärtsprüfungen in Rostock, Cottbus und Unterhaching ausgehen. Leider alles drei Kandidaten, die von Karneval wenig Ahnung haben und so recht keinen Spaß verstehen.
In diesem Sinne, lieber Ewald und liebe Kölner, danken wir für diesen Auftritt an der Weser, verleihen euch den Orden „Lächelnder Rade“ und sagen: Abmarsch. Rumtata, rumtata, rumtadadattadattata ...
Willi Jeck , ein Rheinländer
an der Weser
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