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Karlsruhe stärkt unverheiratete VäterVetorecht für ledige Mütter gekippt

Mütter können das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr generell verweigern: Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und die Position nichtehelicher Väter gestärkt.

Finden bald leichter zusammen: Vater und Sohn. Bild: dpa

FREIBURG taz | Nichteheliche Mütter haben kein Vetorecht mehr beim Sorgerecht für ihre Kinder. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Es erklärte damit die bisherige Rechtslage für verfassungswidrig, gab seine alte Rechtsprechung auf und folgte dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte. Ab sofort gilt eine Übergangsregelung, die es unverheirateten Vätern ermöglicht, eine gerichtliche Klärung des Sorgerechts herbeizuführen.

Geklagt hatte ein Vater aus Nordrhein-Westfalen. Er lebte mit der Mutter nur wenige Wochen zusammen. Das Paar trennte sich während der Schwangerschaft im Jahr 1998. Der heute fast zwölfjährige Sohn lebte von Beginn im Haushalt der Mutter. Der Vater hatte ein Umgangsrecht und sah den Sohn alle 14 Tage am Wochenende.

Zweimal hatte der Vater versucht, das alleinige Sorgerecht der Mutter in ein gemeinsames Sorgerecht umzuwandeln. Denn er wollte mitbestimmen, wo das Kind wohnt, auf welche Schule es geht und ob gefährliche Operationen durchgeführt werden. Zunächst verweigerte die Mutter 2001 ihre Zustimmung. Laut Gesetz war das ihr gutes Recht.

Die Rechtslage

Sorgerecht: Die elterliche Sorge umfasst die umfassende Sorge für ein Kind, von der Betreuung bis hin zur Verwaltung seines Vermögens. Haben Mutter und Vater das gemeinsame Sorgerecht, sind sie gleichermaßen für das Kindeswohl zuständig. Auch sind beide unter anderem entscheidungs- und unterschriftenpflichtig und auch dazu berechtigt. So bei der Wahl der Schule oder im Falle eines Krankenhausaufenthalts des Kindes. Im Falles des alleinigen Sorgerechts hat diese Rechte nur die Person, der das alleinige Sorgerecht zugesprochen wurde. Das Sorgerecht regelt auch das Recht auf Wahl des Wohnsitzes. Im Falle des gemeinsamen Sorgerechts muss die Mutter die Erlaubnis des Vaters einholen, wenn sie mit dem Kind an einen anderen Ort ziehen will.

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Umgangsrecht: Dieses wird oft verwechselt mit dem Sorgerecht, das Umgangsrecht gilt aber unabhängig davon: Jedes Kind hat das Recht auf Umgang mit beiden Eltern. Praktische Bedeutung hat das Umgangsrecht bei getrennt lebenden Eltern und Eltern, die nicht über das gemeinsame Sorgerecht verfügen: Der Umgang mit dem Kind steht auch demjenigen zu, der kein Sorgerecht hat.

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Vaterschaftsrecht: Wird aufgrund seiner Bezeichnung ebenfalls hin und wieder mit dem Sorgerecht verwechselt, ist aber etwas ganz anderes. Es regelt die Abstammung eines Kindes und kann angefochten werden: Vermutet ein Vater, dass das Kind, das er großzieht, nicht von ihm stammt, kann er die Vaterschaft anfechten.

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Kindeswohl: Umfasst das gesamte Wohlergehen eines Kindes, sowohl physisch als auch psychisch. Das Kindeswohl steht über dem Elternwohl. Das hat auch das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch einmal eindeutig betont. (sis)

Anfang 2008 erfuhr der Vater dann, dass die Mutter einen Umzug innerhalb Deutschlands plane. Erneut ging er vor Gericht. Wieder verweigerte die Mutter die gemeinsame Sorge. Auch sein Antrag auf alleiniges Sorgerecht scheiterte, weil dazu eine ausdrückliche Gefahr für das Kindeswohl erforderlich gewesen wäre. Dass der Sohn beim Vater leben wollte, reichte hierfür nicht aus. Der Vater erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde.

Nun entschied Karlsruhe, dass das Vetorecht der nichtehelichen Mutter gegen das Grundgesetz verstößt. Die Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch greife unverhältnismäßig in das Elternrecht des nichtehelichen Vaters ein, weil es ihn generell vom Sorgerecht ausschließt - falls die Mutter die Zustimmung verweigert. Es sei nicht durch das Kindeswohl geboten, dass das Recht des Vaters so hinter das Recht der Mutter zurücktreten muss, entschieden die Richter. Federführend war die einzige Frau im Ersten Senat, Christine Hohmann-Dennhardt.

Karlsruhe ändert damit seine Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht beruft sich dabei auf neue Erkenntnisse aus einer 2006 durchgeführten Umfrage bei Jugendämtern. Danach sei die Verweigerung einer gemeinsamen Sorge durch die Mütter in jeweils 80 Prozent der Fälle vom Wunsch bestimmt gewesen, "allein entscheiden zu können" und "nichts mehr mit dem Vater zu tun haben zu wollen". Damit hätten Gründe im Vordergrund gestanden, die eher wenig mit dem Kindeswohl zu tun haben, so die Verfassungsrichter. Der Hinweis auf "häufige Konflikte der Eltern" komme erst an dritter Stelle.

Das Justizministerium hatte die Umfrage inzwischen zum Anlass genommen, ein ausführliches Gutachten über die Veto-Gründe der Mütter in Auftrag zu geben. Seine Ergebnisse sollen zwar erst im September vorgestellt werden. Wie die Verfassungsrichter mitteilen, weist das Gutachten aber die gleiche Tendenz auf.

Noch größeren Einfluss auf den Sinneswandel der Verfassungsrichter dürfte aber ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem letzten Dezember gehabt haben. Danach verstößt das Vetorecht der ledigen Mutter gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Der Bundestag hätte also ohnehin das deutsche Familienrecht ändern müssen.

Dennoch ist die Karlsruher Entscheidung von großer praktischer Bedeutung, denn sie enthält eine Übergangsregelung, die ab sofort gilt. Danach hat bei einem nichtehelichen Kind zunächst die Mutter die Alleinsorge. Auf Antrag des Vaters oder der Mutter kann das Familiengericht dann die gemeinsame Sorge oder die Alleinsorge des Vaters anordnen - wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Die gemeinsame Sorge soll dabei Vorrang haben.

Diese Übergangsregelung gilt, bis der Bundestag ein neues Familienrecht beschließt. Erst vor wenigen Tagen hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ihre Pläne für eine Neuregelung vorgestellt. Danach soll bei einem unehelichen Kind grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern bestehen. Die Frau soll aber ein Widerspruchsrecht bekommen und kann damit eine Entscheidung des Familiengerichts erzwingen. Dort kommt es wieder darauf an, was dem Kindeswohl am besten diene. Ein Gesetzentwurf liegt noch nicht vor.

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13 Kommentare

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  • S
    sonja

    ein kind wird geboren will wachsen leben geborgenheit entwicklung freunde freude menschliche wärme zuverlässigkeit stetigkeit bindung emotionale nähe zeit zum lachen weinen trauern freuen will ein starker kluger mensch werden leute wenn euer lautes gezänk vorbei ist seht ihr vielleicht eines tages was in der zwischenzeit passiert ist

  • R
    Ronald

    Ja, es gibt die Sorte Väter, die bestenfalls keinen positiven/konstrukiven Beitrag zum Kindeswohl leisten. Es geht aber gerade nicht nur um diese Väter, sondern auch um die Väter, die ihre Kinder lieben und aktiver Teil ihres Lebens sein wollen und können, was im übrigen auch viele Kinder wollen. Leider nimmt ein großer Teil von Müttern das nicht oder unzureichend zur Kenntnis. Daher ist es wichtig und überfällig, diesem Denken Einhalt zu gebieten. Und die, welche sich "einen Dreck um ihre Brut scheren", werden das sicher auch in Zukunft tun und stellen insoweit keine Gefahr dar.

  • ER
    Edith Riegler

    Um was geht es hier eigentlich. Komme gerade von einer Gerichtsverhandlung wegen des Umgangs meiner Kinder beim Vater. Scheint so, als würden die Rechte der Väter einfach mal so aus Prinzip gestärkt. Der Fall wurde weder geprüft noch wurden Tatsachen angehört. Der Vater schien vernünftiger als die Richterin, die wohl die Anweisung hatte Rechte der Väter stärken, egal wie...

     

    Eine Elternvereinbarung auf interner Ebene konnte den Beschluss wieder gerade bügeln.

     

    Es gibt sicher Mütter, die ihre Ex-Mäner und Kindsväter quälen, aber da hilft nichts. Auch nicht das geteilte Sorgerecht.

     

    Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei, entweder es gibt eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Eltern zum Wohle der Kinder oder nicht. Auch der Sorgerechtsbeschluss ändert daran nichts. Das einzige was hier gestärkt wird ist das Ego des Mannes, der in einer zunehmend emanzipierten Welt nicht verträgt, dass er einfach nicht lebensnotwendig ist. Auch nicht für eine Frau. Ich bezweifle, dass es viele Frauen gibt, die sich mit dem Kind aus dem Staub machen, nur um dem Ex zu schaden.

     

    Vielleicht sollten sich Männer mal in Empathie üben und darüber nachdenken, wie lustig es wohl ist, Kinder allein großzuziehen und zu versorgen (mal von den paar Umgangstagen abgesehen, an denen sich die Herren ernsthaft Zeit für ihre Kinder nehmen und vom Unterhalt, den Mann sich so schweren Herzens für seinen Nachwuchs... für den ist er nämlich... aus dem Leibe schneidet). Ich denke, dass schränkt Mütter genug ein und da sollte nicht auch noch Querulantenväter das Leben der Mütter udn Kinder noch erschweren. Soll das Kind denn auf die Schule in der Nähe des Vaters gehen, an einem Ort, wo es sich wenn überhaupt ein mal die Woche aufhält??

     

    Ich halte von dem Beschluss also gar nichts, da er noch mehr Unmut zwischen Eltern schüren wird was sicher nicht pro Kind sein kann.

  • E
    Elise

    Der Vater soll ein Mitbestimmungsrecht bei der Wahl des Wohnortes der Mutter-Kind-Familie haben? Wie soll das denn gehen? Was wäre, wenn die Mutter, diejenige also, die mit dem Kind zusammenlebt und es aufzieht, aus beruflichen, finanziellen, familiären Gründen(Versorgung der eigenen Eltern z.B.)oder privaten Gründen (neuer Partner) einen Umzug vornimmt oder vornehmen muss?

    Ich denke, diese Regelung ist zu kurz gedacht und wird nicht durchgehen, denn sie widerspricht dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit.

  • S
    Sascha-Maria

    Unglaublich, dass dies jetzt erst beschlossen wurde!! Zwischen Ehe und Nicht-Ehe sollte es diese Unterschiede erst recht nicht geben. Papa bleibt Papa!

  • M
    Mani

    Das Bundesverfassungsgericht ist dem Europäischen Gerichtshof immer noch nicht gefolgt, denn letzteres sprach von Diskriminierung der unverheirateten Väter bezüglich des Sorgerechtes.

    Weiterhin sollen Mütter (und verheiratete Väter) ohne Prüfung auf "Kindeswohl" das Sorgerecht erhalten, unverheiratete Väter aber nur nach dieser Prüfung.

    Wie genau diese Prüfung, also die Diskriminierung, aussehen soll, ist jetzt in der Diskussion.

     

    Unabhängig davon, wie diese Debatte ausgeht, ist absehbar, dass im wirklichen Leben die Auswirkung des Sorgerechtes noch weiter beschnitten wird. Denn auch heute ist ein gemeinsames Sorgerecht im Konkreten nicht durchsetzbar: Hat der Vater eine andere Haltung, wird ihm meistens das Sorgerecht wegen Strittigkeit der Eltern aus Kindeswohlgründen entzogen!

     

    Schulen, Ärzte, Psychologen und Behörden gehen oft gesetzwidrig von einer Alleinvertretungsbefugnis der Mutter aus.

    Gerichte weigern sich, ihre eigenen Urteile z.B. zum Umgangsrecht auch umzusetzen: Es widerspricht dem Kindeswohl, wenn das Urteil, das wir vor Kurzem aus Kindeswohlgründen gefällt haben, per Zwangsgeld durchgesetzt wird, weil dann die Mutter in Streß kommt, und sich das negativ auf das Kind auswirkt...

     

    Fragt sich, wann die andere Diskriminierung zum Thema höchstrichterlicher Entscheidungen wird, nämlich der Umstand, dass verheiratete Väter in der Regel ihre Kinder auch sehen können, und die Chance haben, eine echte Eltern-Kind-Beziehung auf zu bauen - einfach weil sie die Väter sind - Punkt.

  • EV
    ein Vater

    Wir werden sehen, wie sich dieses Urteil in Zukunft auswirkt, jedoch wenn ich den Beitrag von Cassandra lese, so ist doch noch sehr viel zu tun, vor allem Aufklärungsarbeit tut not.

     

    Ich habe mal in einem anderen Beitrag geschrieben, es gehe hier um unsere Kinder, sie haben ein Recht auf beide Eltern und ihnen ist es egal, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht.

     

    Sorgerecht ab Geburt für beide Eltern!

     

    Und nein, es geht hier nicht um die Mütter, schon gar nicht um die Rabenmütter deren Hass auf den Vater größer als die Liebe zum eigenen Kind ist.

  • M
    Maik

    @ Das Cassandra-Mal

     

    Schöner Widerspruch.

     

    Ein Vater, der sich einen "Dreck um seine Vergangenheit (Kinder)" schert, wäre an einem solchen Gesetzt gar nicht ineressiert.

  • DS
    Dr. Schulte

    endlich ein vernünftiges Urteil. Noch dazu gleichbehandelnd... unglaublich. Unverheiratete und geschiedene Väter haben leider immer noch das Nachsehen was das Sorgerecht angeht. Kann doch die Mutter durch starke Manipulation der Kinder oder einfach durch erfundene Streitigkeiten sehr leicht dafür sorgen, daß dem Vater das Sorgerecht entzogen wird. Das läuft dann unter Kommunikationsunfähigkeit oder hochstreitig, wird gerne vom Jugendamt aufgegriffen und gegen die Väter verwertet. Geistige Vergewaltigung der Kinder durch peverse rachsüchtige Ex-Frauen wird bisher noch nicht verfolgt. Dafür sorgen unter anderem die Heerscharen der gerichtlich beauftragten Gutachter, die sich daran bereichern. Ich kann jeden Vater verstehen, der aufgibt, um seine eigene Gesundheit zu erhalten.

  • S
    Stefan

    Zeit wurde es...

     

    Jetzt muss nur noch die letzte Ungleichbehandlung ehelicher und unehelicher Kinder beseitigt werden und das gemeinsame Sorgerecht automatisch der Standard sein...

  • K
    klömpi

    Absolut überfällige Entscheidung. Ich freue mich für die vielen Väter, denen rachsüchtige Ex-Freundinnen den Umgang mit ihren Töchtern oder Söhnen vorenthalten haben. Allerdings gibt es ja immer noch diesen Passus der "Kommunikationsunfähigkeit", den sollte man auch noch streichen, sonst wirds ein hohles Gesetz.

  • M
    Maik

    Oh, man staune. Nach endlosen Gender-Debatten und einem ach so neuen Geschlechterbewußtsein, sind es immer noch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Müttern, die das Sorgerecht in der heutigen frauenemanzipierten Gesellschaft nicht teilen wollen?

     

    Es scheint wohl oft zu reichen, wenn man sich nur an der Düsseldorfer Tabelle orientiert?

     

    Sehr gutes Urteil und ich wünsche den vielen benachteiligten Vätern genug Kraft, ihr Recht auch einzufordern.

  • DC
    Das Cassandra-Mal

    Oh die armen Väter - m.E. nach handelt sich bei fürsorglichen solchen Vätern, die behindert werden (da ohne Trauschein etc.) um publikumswirksame Ausnahmen. Viel höher ist die Zahl der Väter, die keinen Bock mehr auf ihre Vergangenheit haben und sich einen Dreck um ihre Brut scheren - wann stellt eigentlich hier mal jemand die Mütter in den Mittelpunkt, die dann einfach die Arbeit beider Elternteile übernehmen?