: Karlsruhe rügt langsames Justiz-Sekretariat
Bundesverfassungsgericht verlangt Entlassung eines Untersuchungshäftlings. Mannheimer Gericht braucht zu lange
FREIBURG taz ■ Untersuchungshaft dient nur der Sicherung des Strafverfahrens und ist keine vorweggenommene Strafe. Dies machte das Bundesverfassungsgericht in einem gestern veröffentlichten Beschluss deutlich. Wenn die U-Haft unnötig lange dauert, kann dies zur Entlassung eines mutmaßlichen Straftäters führen.
Geklagt hatte ein Türke, der seine Ehefrau mindestens fünf Mal vergewaltigt haben soll. Das Landgericht Mannheim hatte ihn deshalb im Dezember 2004 zu vier Jahren Haft verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil später wegen eines Verfahrensfehlers wieder auf. Die erneute Verhandlung in Mannheim beginnt demnächst.
Da noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, sitzt der Mann immer noch in Untersuchungshaft. Haftgrund ist Fluchtgefahr. Doch vermutlich muss er bald aus der Haft entlassen werden und kann den Ausgang des Strafprozesses in Freiheit abwarten. Denn seine Verfassungsbeschwerde gegen die inzwischen 21-monatige U-Haft hatte Erfolg.
Karlsruhe beanstandete vor allem, dass die Sekretariatsarbeiten am Mannheimer Landgericht zu langsam vor sich gingen. Wäre alles optimal abgelaufen, hätte die neue Hauptverhandlung insgesamt drei Monate früher stattfinden können, haben die Richter ausgerechnet. Durch die unnötig verlängerte Untersuchungshaft sei das Freiheits-Grundrecht des Angeklagten verletzt worden. Je länger die U-Haft schon dauere, desto schwerer fielen unnötige Verzögerungen ins Gewicht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe muss nun erneut über eine Haftprüfungsbeschwerde befinden, muss ihn nach den Karlsruher Vorgaben aber wohl sofort freilassen.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in den letzten Monaten bereits mehrfach die Freilassung von Untersuchungshäftlichen bewirkt. So darf etwa der als Terrorhelfer zu sieben Jahren Haft verurteilte Hamburger Mounir al-Motassadeq in Freiheit auf den Ausgang der Revision warten. Auch im Fall des Düsseldorfer Hauseigentümers Heinz Nieder, der mit einer absichtlichen Gasexplosion den Tod von sechs Mietern verursachte, monierte Karlsruhe die überlange U-Haft von acht Jahren. Aktenzeichen: 2 BvR 170/06 CHRISTIAN RATH