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■ Der „Tatort“ aus Bayern widmete sich dem HäuserkampfKaputtsaniert

Genau! Dafür sind wir doch damals auf die Straße gegangen: Damit die öffentlich-rechtliche ARD endlich von uns Notiz nimmt. Zur Prime time am besten, wo einfach alle zuschauen und dann endlich begreifen, warum wir die Häuser eigentlich besetzt haben! Weil wir an das Gute im Menschen glauben und gegen den bösen Mammon sind. Weil wir Ideale im Herzen haben und nicht Opa Lemkes Schweinderl im Kopf. Weil wir eben die Leute sind, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben.

Genau. Und deshalb saßen wir, mittlerweile zur werbeumworbenen Zielgruppe der Dreißig- bis Fünfzigjährigen avanciert, Sonntag abend auf unseren Designersofas vor dem Sony-Fernseher, blickten nostalgisch verklärt zurück und gespannt auf den „Tatort“, der uns zeigte, was aus uns eingeschworenen Aussteigern geworden ist: Eine Ansammlung ausgekochter Einsteiger, die jetzt mit rosa Schweinchen und ridikülen Gameshows das System bekämpfen und mit falschen Honeckers und florierenden Eventbüros das Volk aufklären. Und trotzdem noch eine Lederjacke im Schrank haben. Leute eben, die nicht vergessen haben, daß es „so viel Ungerechtigkeit in der Welt gibt“, und jetzt sogar fordern, daß „sich darum die Politik kümmern muß“.

Nur der gute alte „Scherben-Reiser“ machte sich doch irgendwie penetrant peinlich mit all diesen alten Parolen und seiner abgewetzten Anarchojacke. Paßte irgendwie nicht mehr so recht rein in die neue Zeit der schönen Bilder. Störte irgendwie die saturierte Ruhe. Sollte wohl auch irgendwie vorgestrig wirken.

Genau so wie der ganze „Tatort“ vom Bayrischen Rundfunk, der es mal wieder geschafft hat, ein ehemals aktuelles Thema so lange zu ignorieren, bis sich die hehren Ideale von einst endlich zu einer abgeschmackten Pantoffelkino-Parodie umschreiben lassen: Natürlich ist der Koksdealer von einst jetzt Arzt in einem Krankenhaus, natürlich sind die alten Schnüffeldossiers vom Verfassungsschutz jetzt der einzige Schlüssel zu einem ungeklärten Mordfall. Man muß ihnen ja geradezu dankbar sein, daß sie uns damals fotografierten und archivierten, verfolgten und kriminalisierten. Wie hätte gestern abend sonst alles zu einem guten Ende kommen können?

Schön war's also, das Wiedersehen mit den alten Genossen. So schön, daß uns endlich fast sieben Millionen zuschauten. Nur die Ratings der „Lindenstraße“ und von der „Tagesschau“ waren noch ein bißchen besser. Und ein bißchen realistischer waren sie wohl auch. Klaudia Brunst

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