Kaputtes Klima, mehr Artenvielfalt: Umgekrempelte Biodiversität
Im Jahr 2032 wird in unseren Breiten heimisch, was woanders sonst verdorren würde. Menschen gehen wegen der Hautkrebsgefahr kaum mehr aus dem Haus.
W ir schreiben das Jahr 2032. Als die Koalabären verbrannten, haben wir geschwiegen, denn wir waren ja keine Koalabären. Als Griechenland brannte, haben wir geschwiegen, denn da wohnten wir ja nicht, und bis zu unserem Urlaub im Oktober waren die Feuer meistens wieder gelöscht. Als die Atlantik-Strömung kollabierte, haben wir geschwiegen, denn wir badeten ja immer nur im Mittelmeer.
Jetzt haben wir den Salat. Eigentlich hätten die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 schon seit zwei Jahren um 65 Prozent gesenkt sein sollen. Doch ständig hatte irgendjemand was dagegen – es war wirklich wie verhext. Die neue grün-gelb-blaue „Treppensturzkoalition“ tut zwar, was sie kann, doch sie kann nicht viel. Wenigstens wurde die jährliche Zunahme des CO2-Anstiegs erstmals gebremst – gewiss auch ein Verdienst des neuen Tempolimit-Kompromisses: Wer langsamer als 130 km/h fährt, darf die Autobahn nicht mehr benutzen. Nun sind dort deutlich weniger Fahrzeuge unterwegs, während sich der Restverkehr über die Dörfer quält. Freie Fahrt für schnelle Bürger.
Dafür tut sich einiges in Sachen Artenvielfalt. Riesige Säuger ziehen durch die morschen Wälder und machen die Großwildjäger glücklich. Die Biodiversität wurde reichlich umgekrempelt. Zwar sind Biene, Spatz und Gänseblümchen ausgestorben, doch – hey! – dafür tummeln sich in Forst und Vorstadt die frisch angesiedelten Wolf und Luchs, Wisent, Elch und Auerochse. Mit Menschen kommen sie selten in Berührung, denn wegen der Hautkrebsgefahr geht kaum noch eine aus dem Haus.
Um die Flora kümmern sich Ein-Euro-Bestäuber
Aus dem Süden kommen Wüstenfuchs, Malariamücke und Giftzwerg als Klimawanderer hinzu. In unseren Breiten wird nun heimisch, was woanders sonst verdorren würde. Die Neozoen machen auch optisch einfach mehr her – das muss jede zugeben. Das Gesumme und Getschilpe hat eh genervt, und um den Fortbestand der Flora kümmern sich die Ein-Euro-Bestäuber, die zum Erhalt ihres Anspruchs auf Hartz XIII mit dem Polleneimer über die idyllisch zwischen brandneuen Atommeilern gelegenen Felder gehen.
Vor allem der Wolf fühlt sich längst pudelwohl. Das bekommen wir auch auf unserer Datsche in Sharenow/Mark zu spüren. „Hau ab, du Mistvieh!“, ruft meine Hausnymphe Apocalypso, während sie den Karabiner nachlädt und dem Leitwolf eine Kugel auf den Pelz brennt, um unsere Ananasstauden gegen das angreifende Rudel zu verteidigen. Nach dem Genuss mehrerer Dorfkinder sind die Schleckermäulchen unter den mittlerweile zweihunderttausend Brandenburger Wölfen immer ganz versessen auf Süßes zum Dessert.
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