■ Kanzlerkandidat Gerhard Schröder hat sein Team vorgestellt: Erbarmungsloser Zeitgeist
Der Ton macht die Musik. Wer Regierungschef werden will, muß das Recht haben, sich seine Leute selbst auszusuchen. In diesem Zusammenhang lassen sich Verletzungen nicht vermeiden. Es ist nicht zu ändern, daß sich der eine oder die andere übergangen fühlt. Aber die Art und Weise, in der Gerhard Schröder mit Menschen umgeht, die ihm nicht (mehr) von Nutzen sind, macht frösteln.
Es ist klug vom SPD-Kanzlerkandidaten, sich bei den zentralen Themen Finanzen, Rente und Arbeitsmarkt nicht gerade auf diejenigen zu stützen, die in der Bundestagsfraktion dort seit Jahren die erste Geige spielen. Das hat mit der Qualität ihrer Arbeit nichts zu tun. Aber die SPD ist schon so lange in der Opposition, daß den bekanntesten Gesichtern der Fraktion ohne eigenes Verschulden der Ruch der ewigen Verlierer anhaftet. Dieser Makel, von dem Ministerpäsidenten der Länder und die Parteispitze nicht befallen sind, schadet im Wahlkampf.
Das rechtfertigt jedoch keine Demütigung. Es wäre so einfach gewesen, die Leistungen einer Ingrid Matthäus-Maier, eines Günter Verheugen und eines Rudolf Dreßler in einigen kurzen Sätzen vor den Kameras zu würdigen und zu betonen, ihr Rat habe auch künftig Gewicht. Damit hätte Gerhard Schröder nicht mehr getan, als den banalsten Anforderungen der Höflichkeit zu genügen. Statt dessen hat er es bisher nicht einmal für nötig befunden, ein Gespräch mit Rudolf Dreßler zu führen, der noch immer mit den Folgen eines schweren Autounfalls zu kämpfen hat.
Die würdelose Art, in der Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Johannes Rau aus dem Amt gedrängt wurde, war offenbar keine Panne. Sie hat System. Für Gerhard Schröder zählen nur Sieger. Wer sich von einem sozialdemokratischen Kanzler größeres Engagement für die Teile der Bevölkerung erhofft, die nicht auf der Sonnenseite stehen, sollte sich genau anschauen, wie der Kandidat mit seinen eigenen Genossen umgeht.
Nun zeigt allerdings auch Helmut Kohl wenig Takt und Erbarmen. Sein Umgang mit dem geschaßten Regierungssprecher Peter Hausmann ist dafür ein gutes Beispiel. Bei den Wahlen ist kein möglicher Bundeskanzler im Angebot, der bereit ist, sich in die Lage von Leuten hineinzuversetzen, die gerade weniger vom Glück begünstigt sind. Das entspricht dem Zeitgeist. Es ist nicht modern, alt oder erfolglos zu sein. Bettina Gaus
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