Kandidatur zurückgezogen: Bulgarin Jelewa nicht zu halten
Wegen dubioser Nebeneinkünfte ist die bulgarische Außenministerin Rumania Jelewa in die Kritik geraten. Nun zieht sie ihre Kandidatur für die EU-Kommission zurück.
Rumjana Jelewa gibt auf. Bei ihrer Anhörung vor einer Woche im Europäischen Parlament hatte die 40-jährige bulgarische Außenministerin noch mit trotzig vorgerecktem Kinn in lausigem Englisch kritische Fragen über ihre Nebentätigkeit als Chefin einer Beratungsfirma abgewehrt. Welche Schwerpunkte sie als künftige Kommissarin für humanitäre Hilfe setzen wolle, hatte sie nicht zu sagen gewusst. Die von der konservativen Partei gestützte und von der bulgarischen Regierung entsandte Kandidatin schien die Parlamentsanhörung als Formsache zu betrachten.
Ihr Parteifreund und Regierungschef Bojko Borissow hatte nach der Anhörung gewettert, so unhöflich dürfe man mit einer Dame nicht umgehen. Sozialistenchef Martin Schulz hatte gekontert, der ehemalige Bodyguard des bulgarischen KP-Generalsekretärs habe ihm gar nichts zu sagen. Die konservative Fraktion im Europaparlament hielt aber trotz scharfer Kritik auch bulgarischer Medien bis zuletzt an Jelewa fest. Noch gestern urteilte Fraktionschef Joseph Daul, seine Parteifreundin sei "Opfer eines politischen Kleinkriegs" geworden.
Dieser Kleinkrieg könnte nun weitergehen. Denn die Konservativen werden Jelewas Rückzug als persönliche Niederlage werten. Einige sozialistische und liberale Kandidaten könnten noch einmal auf den Prüfstand kommen. Die liberale bisherige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes musste sich am Dienstag in Straßburg kritische Fragen der Fraktionsvorsitzenden gefallen lassen, weil sie in der Anhörung zu ihrem neuen Arbeitsbereich Telekommunikation schlecht vorbereitet erschienen war. Auch der bisherige Erweiterungskommissar Olli Rehn, der Währungskommissar werden soll, zeigte wenig Sachkunde. Er gehört ebenfalls den Liberalen an.
Als fachlich schwach wurde auch der künftige sozialistische Beschäftigungskommissar László Andor beurteilt. Sein slowakischer Parteifreund Maros Sefcovic, der sich um Verwaltungsfragen kümmern soll, hat angeblich in der Presse herabwürdigende Bemerkungen über Roma gemacht und musste sich kritischen Fragen stellen.
Doch selbst wenn Barroso an diesen Kandidaten festhält, muss die für den 26. Januar geplante Parlamentsabstimmung über die gesamte Kommission verschoben werden. Die neue bulgarische Kandidatin, Weltbankvizepräsidentin Kristalina Georgiewa, muss eine schriftliche Erklärung abgeben und sich ebenfalls den Fragen des Parlaments stellen. Frühestens Mitte Februar kann diese Prozedur abgeschlossen sein.
Für Kommissionspräsident Barroso erhöht jede Verschiebung das Risiko, dass seiner Mannschaft neue Steine in den Weg gelegt werden. Denn während die Kommission nur kommissarisch im Amt ist, haben auch die Abgeordneten Zwangspause - und damit viel Zeit, weitere dunkle Flecken in der Vita der Kandidaten aufzustöbern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid