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Kandidatenpoker im KanzleramtBewerbungen bitte an A. Merkel

Angela Merkels Traumtyp für das Bundespräsidialamt: ein Profi, der keine großen Ambitionen mehr hat und dessen Berufung der Kanzlerin nutzt. Die Auswahl ist begrenzt.

Herrschaftlicher Wohnsitz an ambitionslosen Profipolitiker zu vergeben: Schloss Bellevue in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Wieder einmal war es ein Tag der Absagen. Diesmal traf es den Gipfel der Ostseestaaten in der litauischen Hauptstadt Vilnius, dem Kanzlerin Angela Merkel fernblieb. Es galt, die Nachfolge des so plötzlich verschwundenen Bundespräsidenten zu regeln. Das erfordert eine Vielzahl von Gesprächen, nicht nur mit den möglichen Kandidaten und jenen, die für die Mehrheitsbildung von Belang sind. Wenn der Inhaber eines anderen politischen Amtes ins Berliner Schloss Bellevue einzieht, sind auch die personellen Folgewirkungen zu bedenken. Sie machen den Reiz einer solchen Rochade aus, bergen allerdings auch Risiken.

Die Öffentlichkeit erträumt sich in einer solchen Lage gern ihre Wunschkandidaten. Da wird dann die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann genannt oder der frühere Stasi-Beauftragte Joachim Gauck. Politiker gehen anders vor. Sie sortieren das Personaltableau nach dem Ausschlussprinzip.

Diesmal muss es ein Profipolitiker sein, darin sind sich alle einig. Die mangelnde Vertrautheit mit den Regeln des politischen Betriebs gilt nicht nur innerhalb der Regierungsparteien als ein Hauptgrund für das Scheitern des bisherigen Amtsinhabers. Bereits dieses Kriterium schließt einen erheblichen Teil der populären Fantasien aus.

Zweitens muss es sich um einen Kandidaten oder (eine Kandidatin) handeln, aus dessen Berufung die Kanzlerin einen politischen Nutzen zieht. Etwa, weil sie einen bedrohlichen Konkurrenten ausschalten kann. Diese Erwägung minimiert die Chancen von Aspiranten, die bereits im politischen Abseits stehen, wie Jürgen Rüttgers oder Roland Koch. Umgekehrt werden sich Politiker, die ihre Ambitionen nicht aufgegeben haben, kaum auf den Präsidentenposten abschieben lassen.

Auch die seit einiger Zeit als Ersatzkanzlerin gehandelte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wird sich ihren Teil dabei denken, wenn viele aus der Männerriege der Union sie auf einmal ganz dringend im Amt der Bundespräsidentin sehen wollen. Außerdem wäre sie im Kabinett nicht leicht zu ersetzen - außer vielleicht durch Rüttgers oder gar durch Koch, was für Merkel keine verlockende Perspektive wäre. Grundsätzlich gelten zwei Frauen an der Spitze des Staates auch in Unionskreisen inzwischen als vermittelbar.

Noch unwahrscheinlicher ist, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble jetzt doch noch Präsident wird. Für Merkel, die ihn vor sechs Jahren ins Abseits stellte, wäre es das Eingeständnis einer Fehlentscheidung. Für Schäuble sähe es aus wie eine Flucht vor den politischen und gesundheitlichen Strapazen seines jetzigen Amtes. Ein Nutzen bestünde für Merkel auch darin, dass die Präsidentenkür den Weg freimacht für ein neues Personaltableau. Das lässt die Berufung von Expolitikern wie den früheren CSU-Chef Edmund Stoiber oder Exumweltminister Klaus Töpfer als wenig reizvoll erscheinen.

Denkbar ist dagegen, dass eine mögliche Lösung am Ende doch mit Roland Koch zu tun hat. Mit seinen umstrittenen Äußerungen nötigte der Hesse das Merkel-Lager dazu, sich wortreich zur zentralen Rolle der Bildungspolitik zu bekennen. Das wirft ein Schlaglicht darauf, dass das Ressort mit der eher leisen Annette Schavan sehr unauffällig besetzt ist. Merkel könnte nun versucht sein, Schavan ins Schloss Bellevue wegzuloben. Doch eine blasse Vertraute der Kanzlerin als Bundespräsidentin, das wäre womöglich ein Zeichen von Schwäche.

Schavan als Bundestagspräsidentin, das ginge vielleicht. Dann könnte der bisherige Amtsinhaber Norbert Lammert ins höchste Staatsamt aufrücken. Merkel hätte einen Konservativen befördert, was ihr nach dem Abgang Kochs gut zu Gesicht stünde. Es wäre ein Kandidat, der schon bisher eine überparteiliche Position ausfüllte. Anders als Horst Köhler hätte er politische Erfahrung, allerdings ist auch er ein wenig unberechenbar.

Die Opposition befindet sich währenddessen in Lauerstellung - besonders SPD und Grüne wollen dabei ihr Verhalten miteinander abstimmen. Am Dienstagmorgen trafen sich die Spitzen beider Parteien und berieten über das Verhalten im Moment X - wenn die Regierung ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten präsentiert. "Dann müssen wir schnell reagieren können", heißt es in SPD-Kreisen.

Wenn die Regierung ihren Kandidaten ohne Absprache mit der Opposition nominiere, "werden wir mit Sicherheit jemand eigenes aufstellen", sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Doch selbst wenn eine Absprache versucht würde: Personen mit zu viel Regierungsmief hätten keine Chance bei der SPD. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir warb für einen Kandidaten, der über Parteigrenzen hinaus unterstützt werden könne.

Da es auf Seiten der Regierung aber nach der negativen Erfahrung mit dem Nichtpolitiker Horst Köhler auf eine erfahrene Person aus den eigenen Reihen hinausläuft, gilt die entsprechende Reaktion von Sozialdemokraten und Grünen als sicher. "Die SPD würde in diesem Fall versuchen, zusammen mit den Grünen einen gemeinsamen Kandidaten zu finden", sagte der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner der taz.

Stegner spekuliert sogar darauf, dass diese Person von der Linkspartei mitgetragen werden könnte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Linkspartei wieder einen eigenen Zählkandidaten aufstellen wird", sagte Stegner. Die Parteivorsitzenden der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, bestätigten am Dienstag in Berlin, man werde die Vorschläge der anderen Parteien prüfen und sich dann entscheiden.

Auch der hessische SPD-Generalsekretär Michael Roth sieht Möglichkeiten für eine Annäherung mit der Linkspartei in der KandidatInnen-Frage: "Das Angstgeschrei vor Rot-Rot-Grün hat keine Grundlage", sagte Roth der taz mit Blick auf die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung.

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12 Kommentare

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  • D
    duke

    Die alles niederlächelnde Fönfrisur Zensursula droht, und keinen regt das auf.

     

    Bin ich im falschen Film?

  • LH
    Lara H.

    Zu den meißtgenanten Nachfolgekandidaten:

     

    Telepolis "Politisches Leyen-Spiel":

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32741/1.html

     

    Volker Pispers "Das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang Schäuble":

    http://www.youtube.com/watch?v=1TbLxTCLCGo

  • K
    Kläuseken

    Jetzt fehlen nur noch der Fischer und der Schröder. Letztgenannter meldet sich bestimmt eh noch ungefragt zu Wort und auf ersteren kann man bereits Wetten abschließen. Fischer vs von der Leyen vs Schäuble vs.....

    http://www.newsmax.de/koehlernachfolge-was-macht-joschka-fischer-news59855.html

  • AI
    Arme irre

    Wenn Koch, der auch ganz plötzlich ohne Grund zurück getreten ist wie Köhler, jetzt ganz ganz zufällig Ministerpräsident wird, was ich mir bei der CDU gut vorstellen kann, dann ist da anscheinend einiges gemauschelt und abgesprochen worden..!

    Das ich das nicht begrüße, kann man sich vorstellen

  • DB
    David Bronstein

    Ich kann nicht verstehen, warum hier immer noch vom 'Nichtpolitiker Horst Köhler' geschrieben wird, und dass man jetzt doch bitteschön eine Profi bräuchte. Der beleidigte Bundespräsident hat sich in den Hierarchien der Union nach oben gedient und war als Staatssekretär im Zentrum professionellen politischen Handelns.

     

    Diese Art der Berichterstattung trägt zur Mythenbildung des Bürgerpräsidenten oder auch des Volkshorstes bei und verkennt somit das volle Ausmaß seines Scheiterns.

  • VM
    Veits, M.

    Zur schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung: Der Hinweis auf die Freien Wähler in Bayern (SZ-Berichterstattung), die einen eigenen Kandidaten aufstellen wollen. Das senkte die Mehrheit nicht unerheblich. Für diesen Fall wäre ein Klaus Töpfer - von ROT-ROT-GRÜN und einigen Nachhaltigkeits-Aficionados getragen - ein ernst zu nehmender Kandidat und für das Land sowieso die beste Lösung.

  • B
    Brause

    Was heißt hier ins Amt "abschieden"? Was sagen solche Formulierungen über die Sicht der Autoren auf die Funktion und Bedeutung des Bundespräsidenten?

  • WL
    W. Lorenzen-Pranger

    >>Angela Merkels Traumtyp für das Bundespräsidialamt: ein Profi, der keine großen Ambitionen mehr hat und dessen Berufung der VON R. BOLLMANN & G. REPINSKI

    Kanzlerin nutzt.

  • KH
    Karin Haertel

    Alle bisher genannten Personen sind absolut inakzeptabel. Die Person sollte unbedingt von jeder Partei

     

    unanhaengig sein Am ungeeignesten ist Frau von der Leyen. Se sollte mit gutem Beispiel vorangehen und sich

     

    besser um ihre Kinder kuemmern. Dann doch lieber ein Guenther Jauch, anstatt kritikunfaehiger

     

    Parteikluengel.

  • V
    vic

    Ein schwarzer Hampelmann geht, ein schwarz-gelb gestreifter Apparatschik kommt - who cares?

    Die Vorstellung jedoch, Koch könnte das sein, macht mir große Sorgen.

    Ein extremistischer Nationalist als "Aushängeschild der BRD"?

    Dann besser niemand.

  • R
    rio

    Merkels Auswahl interessiert mich eher weniger. Meine Auswahl sieht so aus:

     

    - Ich

    - Loriot

    - Dieter Hildebrandt

    - Georg Schramm

     

    Dummerweise hat der Urnenpöbel dabei gar nichts zu melden, sondern nur diese eigenartige Veranstaltung namens Bundesversammlung.

  • EA
    E. Aufmerles

    Die Wahl des Bundespräsidenten (m/w) am 30. Juni 2010 muss mehr Wirkung zeigen als nur die neuerliche temporäre Besetzung des bundesrepublikanischen "Gruß-August"-Postens (m/w). Diese Wahl muss eine völlige Neuordnung des bestehenden regierenden Personalangebots nach sich ziehen. Deshalb: Merkel for President! Und dann mal sehen, was passiert...