Kandidat Hollande besteht TV-Duell: Imagetest bestanden
Hollande kann Präsident! Darin sind sich spätestens nach dem TV-Duell alle Beobachter einig. Sarkozy hingegen befindet sich nur noch in der Defensive.
Eine aggressive Spannung herrscht schon vor Beginn des Schlagabtausches. Im Studio hängt ein wandgroßes Bild des Élysée, des Präsidentenpalasts. Damit soll wohl den beiden Rivalen ständig bewusst bleiben, worum sie sich da streiten. Links sitzt Hollande, rechts Sarkozy. Beide tragen je einen dunklen Anzug und eine dunkelblaue Krawatte.
Neben ihnen spielen Laurence Ferrari von TF1 und David Pujadas von France-2 die Schiedsrichter. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, den Blick nicht von den beiden, auch fürs Publikum ständig sichtbaren Stoppuhren abzuwenden. Beide Redner müssen exakt gleich viel Zeit während der zweieinhalbstündigen Debatte bekommen. „Bitte, meine Herren, reden Sie nicht gleichzeitig“, muss Pujadas danach mehrfach und meist erfolglos dazwischenfahren.
Das Los hat entschieden, dass François Hollande die Feindseligkeiten eröffnet. Er lässt sich nicht zweimal bitten und macht dem Noch-Präsidenten den Prozess. Wie aus der Pistole geschossen nennt er Zahlen, um die miserable Bilanz der letzten fünf Jahre zu belegen. Er will ein Geständnis des „Angeklagten“ Sarkozy. Dieser habe doch 2007 gesagt, er wolle am Ende des Mandats an seinen Ergebnissen gemessen werden. Auf 5 Prozent wollte er die Arbeitslosigkeit senken. Heute steht sie bei 10 Prozent.
Sarkozy in der Defensive
Sarkozy gerät von Beginn an in die Defensive. Auch er hat Zahlen, die zeigen, dass es Frankreich im Vergleich so schlecht nicht geht. Von einem Sozialisten, dessen Genossen Griechenland, Spanien und Portugal zugrunde gerichtet hätten, will sich der Krisenmanager Sarkozy nicht belehren oder maßregeln lassen. Er beklagt sich dagegen: Im Wahlkampf sei er mit Franco, Pétain und Laval verglichen worden. „Warum nicht auch noch mit Hitler?“ Dem sonst so umgänglichen Hollande platzt der Kragen: „Jetzt hören Sie doch auf, sich ständig als Opfer aufzuspielen.“
Die Fähigkeit der beiden Anwärter, auf jede Attacke sogleich wortgewandt zu reagieren, ist beeindruckend. Noch vor der Halbzeit hat Hollande sein Etappenziel erreicht. Für die Zuschauer wirkt und klingt er wie ein „Präsident“. Das bedeutet, er strahlt Selbstsicherheit aus, dosiert seine Aggression so weit, dass es nicht wie nach einem stupiden Kläffen tönt.
Der Countdown läuft, nur noch rund 48 Stunden bis zum Tag der Entscheidung. Für wen sich die französischen WählerInnen am Sonntag entscheiden werden, wird in Umfragen schon vorab erhoben. Seit Wochen sehen sie einen klaren Sieg für den Sozialisten François Hollande voraus. Und auch nach dem TV-Duell, das rund 17,8 Millionen Menschen verfolgt haben, sieht es schlecht für Sarko aus. Doch es könnte knapp werden.
Aktueller Stand:
Nicolas Sarkozy: 45–47 Prozent
François Hollande: 53–55 Prozent
Immer wieder Deutschland
Am Tag darauf bescheinigen ihm die Regionalzeitungen, den Kampf imagemäßig gewonnen zu haben. „Für Hollande ging es darum zu zeigen, dass er das Format eines Präsidenten hat. In diesem Bereich hat er gepunktet“, kommentierte Nord-Eclair. Die Libération titelte: „Hollande präsidiert die Debatte.“
Immer wieder geht es auch um Deutschland. Während Sarkozy von den Hartz-Reformen redet, predigt Hollande die deutsche Sozialpartnerschaft. Gegen Hollande spielt Sarkozy seine Erfahrung aus: „Monsieur Hollande, Sie haben keine Ahnung von Europa. Ich war auf allen Gipfeln, Sie nicht.“ Hollande hält ihm einen Kniefall vor Merkel vor: „Was haben Sie (in der Verhandlungen über den Stabilitätspakt) herausgeholt? Gar nichts!“
Was die 18 Millionen Zuschauer nicht sahen: Nach diesem Schlagabtausch stand Hollande lächelnd auf und reichte Sarkozy die Hand zum Gruß. Oder zum Abschied? Parallel zum TV-Duell kommentierten Bürger in rund 500.000 Twittermeldungen das Geschehen. Darunter die Schauspielerin Aure Atika, die Hollande applaudierte und Komiker Pierre Desproges zitierte: „Erwachsene glauben nicht an den Weihnachtsmann, sie wählen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader