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Kampf um die Süddeutsche Zeitung"Wie im Denver-Clan"

Es geht um Geld und Macht und Ansehen: Um den Verlag der "Süddeutschen Zeitung" wird derzeit gerungen wie im "Denver-Clan". Notizen über eine große deutsche Seifenoper.

Würde sicher gerne um die SZ mitbieten: Der Denverclan. Bild: dpa

Es sei wie im "Denver-Clan", sagt ein Insider.

Der "Denver-Clan" ist eine dieser Fernsehserien, von denen man eigentlich glauben könnte, sie seien unter dem Strich dann doch ziemlich weit hergeholt. Es gibt darin die Ölfirma Denver Carrington und die Ölfirma Colbyco, die um die Vorherrschaft auf dem Markt ringen. Es gibt die intrigante Alexis Colby und ihren Ex-Mann Blake Carrington, an dem sie sich rächen will.

Die Figuren verstanden, sofern man bedenkt, dass die Serie in den Achtzigerjahren spielte, etwas von guter Kleidung und gutem Essen. Es waren hoch angesehene Leute. Sie taktierten und intrigierten, sie verschleierten ihre Interessen und arbeiteten gegeneinander, während sie einander vorne herum schöne Augen machten. Und nun gibt es also diesen Menschen, der selbst im Gewusel steckt, und er sagt: Genau so gehe es derzeit in München zu.

Verlag zu verkaufen

Es geht um den Verkauf des Süddeutschen Verlags (SV), eines der größten deutschen Zeitungshäuser. Der Verlag hat ein Aushängeschild, die Süddeutsche Zeitung, die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung nach Bild. Horst Röper, ein Branchenbeobachter, der nicht zu maßlosen Übertreibungen neigt, sagt: "Wegen der Dimension und des großen Zeitungstitels ist das eine ganz große Geschichte."

Es geht um Geld und Macht und Ansehen. Und es wird gerungen wie im "Denver-Clan". Mit Haken und Ösen.

Fünf Familien regieren den Verlag

Die Figurenkonstellation ist folgende: Der SV wird, was mit den Bedingungen begründbar ist, unter denen die deutsche Nachkriegspresse entstand, von fünf Gesellschafterfamilien gehalten: den Familien Dürrmeier, Schwingenstein, Goldschagg, von Seidlein und Friedmann. Der sechste Gesellschafter ist die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), die in den Verlag mit 150 Millionen Euro einstieg, als er 2002 nahezu ruiniert am Boden lag, seitdem mit 18,75 Prozent beteiligt ist und sich damals auch ein Vorkaufsrecht sicherte, für den Fall, dass andere Gesellschafter verkaufen wollen.

Schon 2002 gab es Aversionen gegen die SWMH, doch ihre Hilfe wurde unbedingt benötigt. Es gab keine Rücklagen in Zeiten der Konjunkturkrise, was nicht nur in der SZ-Redaktion bis heute als "Armutszeugnis" für die verlegerischen Kompetenzen gewertet wird.

Doch nun, da der SV saniert ist, ist die Abneigung wieder freigelegt. "Der alte Stolz bricht wieder durch", sagt ein Insider - namentlich zitieren lässt sich kaum jemand. Denn dann würde man sich selbst als Quelle offenlegen. Die eigene Interessenlage würde durchschaubar. Das wäre fatal für die eigenen Interessen.

Vier wollen verkaufen

Vier der Gesellschafterfamilien - angestoßen von der Familie Dürrmeier - wollen ihre Anteile (zusammen 62,5 Prozent) wohl verkaufen. Die Familie Friedmann und die SWMH wollen das nicht. Letzten Freitag mussten die potenziellen Käufer bei der Bank Credit Suisse, die von den Dürrmeiers mit dem Verkaufsprozess betraut wurde, ihre Angebote abgeben. Diese werden nun geprüft; von fünf bis sechs Interessenten heißt es, sie seien noch im Rennen. Es beginnt nun die Phase der sogenannten Verkäufer-Due-Diligence, was bedeutet, dass sie sich den Verlag genauer anschauen können. Und dann können sie ihr Angebot finanziell und publizistisch korrigieren.

Die Bieter

Alfred Neven DuMont ist der Patriarch des Kölner Traditionshauses, das weiter Geld in der Kriegskasse hat. Nach der Übernahme der Mehrheit an der Frankfurter Rundschau und dem Einstieg bei der israelischen Zeitung Ha'aretz will der Familienkonzern weiterwachsen. Heute gehören ihm schon alle Kölner Tageszeitungen (Kölner Statdanzeiger, Kölnische Rundschau, Express) sowie die Mitteldeutsche Zeitung in Halle.

Stefan von Holtzbrinck ist nach dem Ausscheiden seines Bruders Dieter aus dem Familienkonzern der starke Mann beim schweigsamen Verlag: Öffentlichkeit schätzt man im Hause Holtzbrinck weniger. Bekannt wurde der Verlag durch den vom Kartellamt untersagten Kauf der Berliner Zeitung. Aktuell gehören Tagesspiegel, Handelsblatt, Die Zeit, Wirtschaftswoche sowie ein halbes Dutzend Regionalblätter dazu.

Die WAZ-Gruppe: Bodo Hombach, Geschäftsführer der Essener WAZ-Gruppe, könnte mit dem Kauf der Süddeutschen das Vermächtnis des im Januar verstorbenen WAZ-Verlegers Erich Schumann erfüllen: Der wollte Zeit seines Lebens die SZ. Das Geld hätte der vom Familienzoff seiner Eigentümerclans gebeutelte Konzern. Zur Gruppe gehören WAZ, WR, NRZ, WP und Iserlohner Kreisanzeiger in NRW sowie TA, TLZ und OTZ in Thüringen.

SWMH: Hinter dem entzückend nichtsagenden Kürzel verbirgt sich die Südwestdeutsche Medien Holding, schon heute Deutschlands drittgrößte Zeitungskette und seit 2002 bereits Minderheitsgesellschafter bei der Süddeutschen Zeitung. Die Holding ist ein komplexes Konstrukt, bei der die Medien-Union Ludwigshafen der für ihre Sparfreude bekannten Gebrüder Schaub (Rheinpfalz) den Ton angibt. Zu ihr gehören die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten.

Und schießlich die Finanzinvestoren: David Montgomery, britischer Finanzinvestor, Zeitungsaufkäufer und Verleger, ist nach eigenem Bekunden ebenfalls an der Süddeutschen interessiert. Auch wenn Branchenkreise behaupten, Montgomerys Firma Mecon sei bereits aus dem Rennen: Zwei oder drei Konsortien aus der Private-Equity-Welt gehören in jedem Fall zum Bieterkreis. Und Montgomery bereits heute Berliner Zeitung, Kurier und Hamburger Morgenpost. STG

Fünf Investoren wollen bieten

Das Handelsblatt veröffentlichte am Mittwoch einen Artikel anlässlich des anstehenden SV-Verkaufs. DuMont, die WAZ-Gruppe, Holtzbrinck und zwei Finanzinvestoren seien im Rennen, hieß es da - das war bereits bekannt, wobei es an anderen Stellen andere Informationen darüber gibt, ob es statt zwei nicht doch drei Finanzinvestoren sind.

Doch im SV, zitierte das Handelsblatt einen "Unternehmensinsider", sei der Holtzbrinck-Verlag der Wunschkandidat, da, so das Blatt, "da der Konzern für Qualitätsjournalismus stehe". In dieser Passage hat sich bereits ein interessengeleiteter Beitrag zum Verkaufsprozess versteckt: das Lob für Holtzbrinck, das allerdings doch ein übertrieben durchsichtiges Manöver ist - das Handelsblatt gehört schließlich Holtzbrinck. Ein anderer Unternehmensinsider sagte übrigens der taz (kein Holtzbrinck-Blatt), Holtzbrinck sei keineswegs der Wunschkandidat aller verkaufswilligen Beteiligten im SV.

Der Radsportler

Und so muss bei jeder Äußerung bedacht werden, wer spricht - und warum. Welche Interessen haben etwa die Verkaufswilligen? Eigentlich sind einige von ihnen nicht wirklich Verleger - es sind Nachkommen von Verlegern.

Christian Goldschagg etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, ist ein wirklich sehr freundlicher Mensch. Früher war er Radsportler. Dann gründete er eine Fitness-Studio-Kette. Dann kaufte er mit dem Boogie-Woogie-Pianisten Axel Zwingenberger eine Dampflok. Man kann hervorragend mit Goldschagg Dampflok fahren. Ob er aber ein guter Zeitungsverleger ist? Sagen wir so: Es gibt Leute, die den Gesellschafter ihres eigenen Verlags "den mit dem Fitness-Studio" nennen.

Verlegerische Verantwortung? Schwachsinn.

Was bedeutet es also, wenn die verkaufswilligen Verleger der SZ-Redaktion mitteilen lassen, sie wollten "ihrer verlegerischen Verantwortung gerecht werden"?

SZ-Redakteur eins: "Schwachsinn."

SZ-Redakteur zwei: schallendes Gelächter.

Es bedeutet gar nichts, außer dass sie, wie Röper sagt, ihr Gesicht wahren wollen. Die Alt-Gesellschafter haben zwei Hauptinteressen: Sie wollen aus dem Verkauf so viel Geld wie möglich mitnehmen. Aber sie sind zum Teil auch in der Münchner Society verwurzelt und wollen sich nicht bis an ihr Lebensende bei jeder Bussi-Veranstaltung anhören, sie seien schuld daran, dass wegen ihrer Gier die Qualität der Süddeutschen Zeitung vor die Hunde gegangen sei.

Was bleibt? Zum Beispiel könnte man Finanzinvestoren zum Bieterverfahren zulassen, damit sie den Preis treiben - und am Ende den Laden an einen ordentlichen Verlag verkaufen. Bleiben dann nur noch zwei Fragen: a) Was ist eigentlich ein ordentlicher Verlag? Und b) Was, wenn ein Finanzinvestor wie der Mecom-Konzern des Briten David Montgomery, der sein Interesse am SV laut genug bekundet hat, so viel bietet, dass man kaum widerstehen kann?

Die Seehofer-Nummer

Während über die möglichen Käufer derzeit nur spekuliert werden kann - der Kress-Report meldete etwa, Montgomery sei aus dem Rennen, während ein weiterer Insider der taz sagt, das sei ihm neu -, wird hinter den Kulissen zu Mitteln gegriffen, die man aus der CSU kennt - die Seehofer-Nummer. Oder aus dem "Denver-Clan".

Die Wäsche der Geschäftsführer

Vor kurzem etwa verlängerten die verkaufswilligen Alt-Gesellschafter die Verträge der SV-Geschäftsführer Klaus Josef Lutz und Hanswilli Jenke bis 2010 - gemeinhin als Zeichen nach innen interpretiert, dass man im Verkaufsprozess auf Kontinuität setze. Das Verhältnis der Geschäftsführer zu den verkaufsunwilligen Gesellschaftern Friedmann und SWMH wird im Haus allerdings als "verbrannt" beschrieben - denn nach der Vertragsverlängerung hatte plötzlich der Spiegel deren Arbeitsverträge auf dem Tisch und schrieb, es gebe darin eine "Change-of-Control-Klausel": Demnach könnten Lutz und Jenke bei Einstieg eines neuen Eigentümers "selbst kündigen und dennoch ihre Bezüge, Fixtantiemen und eine anteilige Erfolgsprämie für die Restvertragsdauer bis 2010 einstreichen". Wer dem Spiegel die Dokumente zuspielte, ist offen. Wem es aber am ehesten nützen würde, die Geschäftsführer öffentlich als Raffkes darzustellen? Eher denen, die nicht verkaufen - und die Verkaufswilligen als raffgierig darstellen wollen.

Ein nicht ganz unbefangener Unternehmensinsider sagt im Hintergrundgespräch, das alles sei unter dem Strich halt "dummes Gerumpel". Doch dass es allein Sache der Boulevardjournalisten sei, schmutzige Wäsche zu waschen, stimmt jedenfalls nicht. Deutschlands Verleger können das auch.

Gesellschafter vor Gericht

Als einige der Alt-Gesellschafter ankündigten, ihre Anteile zu verkaufen, zogen SWMH und die Familie Friedmann vor Gericht, um den Verkauf zu verhindern. Sie scheiterten. Nun aber läuft ein weiteres Verfahren zwischen den zwei Gesellschaftergruppen.

Die SWMH will klären lassen, ob es rechtmäßig war, dass die SWMH aus Aufsichtsgremien ausgeschlossen wurde. "Zwei Gesellschaftergruppen, die sich vor Gericht bekriegen", sagt ein SZ-Redaktionsmitglied: "Mal ehrlich - was kann da Schlechteres kommen?"

Das Vorkaufsrecht

Die SWMH wird wohl am Ende entscheidend sein für den Ausgang - denn sie hat ein Vorkaufsrecht. Das bedeutet, dass sie drei Monate nachdem die anderen Interessenten ihre Gebote abgegeben haben, im Preis mitgehen kann. Nur, was will Deutschlands drittgrößte Verlegergruppe, aus der kaum etwas nach außen dringt? Will sie versuchen, den Preis niedrig zu halten, um selbst den ganzen SV kaufen zu können? Will sie versuchen, ihn zu heben, um am Ende doch noch auch den eigenen Anteil möglichst gewinnbringend zu verscherbeln? Man sieht: Es ergibt Sinn, die eigenen Interessen zu verschleiern. "Die pokern", sagt ein SZ-Redakteur. Und er gehört zum Einsatz.

1 bis 1,2 Milliarden Euro werden derzeit als Preis für den SV genannt. Viel Geld für die WAZ, die - mit Ausnahme des Braunschweiger Zeitung-Kaufs für 220 Millionen - nur vernünftige Summen zu zahlen bereit ist. Viel für die SWMH. Wie der DuMont-Verlag, der erst die Frankfurter Rundschau kaufte, sich die SZ leisten können soll, ist ohnehin unklar. Viele Fragen. Alle offen.

Wem gehört die Meinungsmacht?

Und so gerät fast in Vergessenheit, dass es beim Verkauf des SV eigentlich um Fragen von gesellschaftlicher Relevanz geht: Wem gehört bald die Meinungsmacht der SZ? Und was bedeutet der Verkauf für ihre künftige publizistische Linie? Soll sie zum Regionalblatt umgebaut werden, wie manche für den Fall befürchten, dass am Ende die SWMH der Mehrheitseigner wird?

Wird womöglich, wie andere befürchten, an der Redaktion gespart, wenn jemand wie David Montgomery, gegen dessen Einstieg in den deutschen Zeitungsmarkt auch SZ-Journalisten wie Hans Leyendecker in die Offensive gingen?

Bleiben Sie dran!

Alles offen also. Bleiben Sie dran am "Verleger-Clan". Wir werden berichten.

Und jetzt: Werbung. Sie wissen schon: die Kohle.

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1 Kommentar

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  • CT
    C.-M. Talleyrand

    Bei weitem der beste Artikel den ich bisher zu dem Thema Süddeutsche gelesen habe. Es wird eine spannende Soap. Ein Punkt noch: Es mact sicher doch einen erheblichen Unterschied wer die SZ kaufen wird. Der verlegerische Ruf einer WAZ, SWMH oder von DuMont ist eher bescheiden. Finanzinvestoren müssen nicht die schlechtere Wahl sein. David Montgomery hat wesentlich weniger in der Redaktion der BeZei gewütet, als das einige der "noblen" deutschen Verleger in der Vergangenheit im eigen Haus getan haben.

     

    CMT