Kampf in Linke um Haltung zu Israel: Gysis Machtwort irritiert Genossen
Deftig geißelte Linke-Fraktionschef Gysi Israelkritik einiger Parteigrößen. Antizionismus habe bei den Linken nichts zu suchen. Die Genossen wehren sich.
Das hatte Sprengkraft: Gregor Gysi, Fraktionschef der "Linken" im Bundestag, hat jüngst in einer Rede mit scharfen Worten die Haltung weiter Teile seiner Partei zu Israel zu korrigieren versucht - und jeden Antizionismus als unhaltbar zurückgewiesen: "Der Antizionismus kann für die Linke insgesamt, für die Partei ,die Linke' im Besonderen, keine vertretbare Position sein, zumindest nicht mehr sein," erklärte Gysi. Nun entspinnt sich eine Debatte in der "Linken", in der antizionistische Positionen und teils radikale Israelkritik seit Jahren fest verankert sind.
Mit Unverständnis reagierte Gysis Bundestagskollegin Ulla Jelpke, eine der lautesten Israel-Kritikerinnen der Partei: "Ich halte es für legitim, gegen Zionismus zu sein." Die Rede spiegele eine alte Debatte wieder, maßgeblich Neues enthalte sie nicht. "Insbesondere die Kritik an der Ausgrenzungspolitik Israels hätte ich schärfer formuliert", so Jelpke zur taz. "Die trägt schließlich apartheidsähnliche Züge."
Gysi hingegen bekannte sich in der Rosa-Luxemburg-Stiftung klar zur "Solidarität mit Israel", die er gar als Teil der "deutschen Staatsräson" begrüßt. Er stichelte gegen die Antiimperialisten und Antizionisten in der Partei. Implizit warnte er vor einer "einseitigen Parteinahme" für die Palästinenser und hielt israelkritischen Antiimperialisten vor: "Der Begriff des Imperialismus trifft auf Israel auf jeden Fall nicht zu."
Schon vor zwei Jahren hatte die Vizechefin der Partei, Katja Kipping, versucht, angesichts harscher Kritik von PDS-Politikern am Libanon-Feldzug Israels, mit einem Positionspapier die Haltung mancher Genossinnen und Genossen zum Nahoststaat und seiner Staatsideologie zurechtzurücken. Sie formulierte aber vorsichtiger als Gysi.
Kipping lobte die Rede Gysis: "Das ist eine neue Qualität im Verhältnis zu Israel", sagte sie der taz, "Gysis Position ist sehr gut. Ich hoffe, dass sie in der Partei mehrheitsfähig ist." Kritischer sah dagegen Außenpolitikerin Monika Knoche Gysis Forderung, man müsse das Verhältnis zu Israel klären: "In der Fraktion gibt es keinen Klärungsbedarf", sagt sie der taz. "Unsere Diskussionen laufen weitaus emanzipatorischer, als er sie beschreibt."
Neben Jelpke dürften dessen Mahnungen insbesondere an die Adresse der Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke und Norman Paech gerichtet sein. Mit manch fragwürdiger Position sorgten sie selbst unter Genossen für Irritationen. So nahm Gehrcke während des Libanonkriegs 2006 an einer von palästinensischen Vereinen initiierten und klar antiisraelischen Demo in Berlin teil. Später richtete er eine Nahostkonferenz aus, zu der Hamas-Sprecher Ghazi Hamad eingeladen war, der jedoch nicht einreisen durfte. Jelpke empörte sich damals über Israel: "Wer zu diesen Verbrechen schweigt, macht sich mitschuldig. Wer angesichts dieser Massaker und angesichts dieser sinnlosen Zerstörungswut noch einen Hauch von Verständnis für die israelische Politik aufbringt, macht sich zum Mittäter, zum Komplizen von Mord und Terror." Positionen wie diese veranlassten den Zentralrat der Juden letztes Jahr dazu, der "Linken" vorzuwerfen, in ihr wirke der staatliche Antizionismus der DDR weiter: "Das Gift hat eine neue Plattform."
Auch Paech ist bekannt für seine radikale Israelkritik. Den EU-Boykott der Hamas bezeichnete er im Anschluss an eine Nahostreise 2006 als "Verbrechen". Später sprach er davon, Israel betreibe einen "unzulässigen Vernichtungskrieg gegen Milizen und Bevölkerung im Libanon".
Während Paech unerreichbar im Kongo weilt, sagte Gehrcke, die Rede werde "mit Sicherheit" eine Debatte anstoßen. Gysis Antizionismus-Absage teile er "vorbehaltlos". Der Antizionismus sei zwar noch eine "geistige Strömung" in der Partei, zahlenmäßig aber "nicht relevant".
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