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Kampf gegen die CoronapandemieRückschlag bei Impfstofftests?

Bei der Entwicklung eines Impfstoffs gibt es Probleme. Der Pharmakonzern AstraZeneca stoppt Tests, weil ein Proband offensichtlich erkrankt ist.

Test eines Corona-Impfstoffs – hier allerdings das Präparat eines Konkurrenten von AstraZeneca Foto: dpa

New York ap | Der internationale Pharmakonzern AstraZeneca hat Studien an einem möglichen Impfstoff gegen das Coronavirus auf Eis gelegt. Grund sei ein Bericht, wonach bei einem Patienten eine schwere Nebenwirkung aufgetreten sei, teilte das Unternehmen am Dienstagabend (Ortszeit) mit. Man prüfe nun, ob das Phänomen mit der Impfung in Verbindung stehe. Details wurden nicht genannt, AstraZeneca sprach lediglich von einer Routinemaßnahme wegen „einer potenziell ungeklärten Krankheit“. Der Impfstoffkandidat befand sich in der dritten und entscheidenden Testphase.

Über die Aussetzung der Studie hatte zuerst die Nachrichtenwebsite STAT berichtet. Erkrankt sei ein Proband im Vereinigten Königreich, hieß es. Ein Sprecher von AstraZeneca bestätigte später einen vorübergehenden Teststopp in den USA und anderen Ländern. Im August hatte der Pharmariese begonnen, 30.000 Probanden in Amerika für seine größte Studie an dem Impfstoffkandidaten zu rekrutieren. Getestet wird das von der Universität Oxford produzierte Vakzin auch an Tausenden Menschen in Großbritannien, kleinere Studien gibt es in Brasilien und Südafrika.

Groß angelegte letzte Testphasen laufen auch für zwei weitere Impfstoffkandidaten: einer wird vom Biotechnologieunternehmen Moderna in Massachusetts hergestellt, der andere von der Mainzer Biopharmafirma Biontech und dessen US-Partner Pfizer. Diese zwei Impfstoffaspiranten wirken anders als das Mittel von AstraZeneca.

Temporäre Teststopps bei großen klinischen Studien gelten nicht als ungewöhnlich. Untersuchungen von gravierenden oder unerwarteten Reaktionen auf die Verabreichung von Mitteln ist ein unerlässlicher Teil des Sicherheitsverfahrens. AstraZeneca wies im aktuellen Fall darauf hin, dass das medizinische Problem auch ein Zufall sein könne. Bei Studien mit Tausenden Probanden könnten alle möglichen Leiden auftreten. Man arbeite nun daran, die Prüfung des Einzelfalls zu beschleunigen, um mögliche Auswirkungen auf den Zeitplan der Studie zu mindern, teilte das Unternehmen weiter mit.

Viele offene Fragen

Es sei möglich, dass die ungeklärte Krankheit des Probanden ernst genug sei, um eine Klinikeinlieferung nötig zu machen, sagte die Wissenschaftlerin Deborah Fuller von der University of Washington. Wahrscheinlich lägen keine milden Nebenwirkungen wie Fieber oder Muskelschmerzen vor. Es gebe keinen Grund zum Alarmismus. Vielmehr sollte es beruhigen, dass das Unternehmen die Studie aussetze, um herauszufinden, was vor sich gehe. Das Vorgehen zeige, dass es die Gesundheit der Testteilnehmer umsichtig im Blick behalte.

Angela Rasmussen, Virologin an der Columbia University in New York, twitterte, dass die Krankheit womöglich nichts mit dem möglichen Impfstoff zu tun habe. Genau dies sei aber der Grund, „warum wir Studien machen, ehe wir einen Impfstoff für die Allgemeinheit verfügbar machen“.

Bei der dritten und letzten Testphase halten Experten nach jeglichen Anzeichen von Nebenwirkungen Ausschau, die bei den vorangegangenen Forschungen unentdeckt geblieben sein könnten. Aufgrund des Umfangs gelten diese Spätstudien als wichtigster Teil des Prozederes, in dem die Sicherheit des Präparats gewährleistet werden soll.

Erst am Dienstag hatten AstraZeneca und acht weitere Pharmakonzerne in einem ungewöhnlichen Schritt gemeinsam versprochen, sich bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus an die höchsten ethischen und wissenschaftlichen Standards zu halten. Hintergrund sind wohl Sorgen, dass US-Präsident Donald Trump die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zur Zulassung eines Mittels zwingen könnte, ehe dessen Sicherheit und Wirksamkeit belegt ist.

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5 Kommentare

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  • Dazu auch ein interessantes Interview:



    www.youtube.com/watch?v=kWpzfqW34lA

  • Nein, das ist kein Rückschlag, sondern ein notwendiger Messwert. Man brauchte gar nicht zu testen, wenn es kein Risiko gäbe. Die Entschädigungszahlungen sorgen schon dafür, dass nicht zu leichtsinnig gehandelt wird. Preiswerte uigurische Testpersonen haben wir nicht. In den USA ist frau da großzügiger, obwohl frau da meist ein Mann ist.

  • Der Proband hat eine transverse Myelitis entwickelt die u.a. auch durch eine virale Infektion verursacht werden kann. Man sollte das ganz nicht zu hoch hängen. Ja, Medikament und Impfstoffe können schwere Nebenwirkungen haben. Nur wird darüber nicht ständig berichtet und so getan als wäre jetzt alles für die Katz und die Impfstoffentwicklung am Ende. Man muss jetzt einfach sorgfältig schauen nach dem weshalb und warum. Bleibt es bei einem Einzelfall bei 30000 Probanden ist das sicher kein Hindernis für eine Zulassung

  • Wikipedia spricht bei AstraZeneca von einem internationalen Pharmakonzern mit abgeschmettertem Übernahmeversuch durch Pfizer, und anderen Quellen war zu entnehmen, dass die britische Sparte des Konzerns aus einem Uni-Spin-Off-Unternehmen stammt. Eine direkte Verbindung zur Uni kann ich nicht entdecken. Was stimmt denn?

    Auch finde ich den Hinweis, dass die beiden Konkurrenten ein anderes Wirkprinzip als der besprochene Impfstoff hätten, als wenig informativ.

    Es war zu lesen, dass ein Teil der Impfstoffe erstmalig genmanipulierende seien: Statt eines abgeschwächten oder toten Virus würden Genbestandteile dessen in menschliche Zellen eingebracht, um diese zur Bildung der "Krönchen" anzuregen, aufdass das Immunsystem lernen möge, diese zu bekämpfen.

    Solche Impfstoffe waren bislang nicht zugelassen, und statt einer langangelegten Grundlagenforschung werden nun Forschungsphasen teleskopiert, also ineinandergeschoben, um möglichst schnell in die Marktreife zu gelangen.







    Um welche Art von Impfstoff handelt es sich bei dem besprochenen?



    Wären – gemäß dem Fall, es ist ein solch komplett neuartiger – nicht möglichst transparente Aussagen des Herstellers zu aufgetretenen Komplikationen angezeigt, um eine potenzielle Gefährdung der Probanden schnellstmöglich zu erkennen?

    • @BvW:

      Der Impfstoff basiert auf Adenoviren. Das ist nicht ganz neu und gibt es schon bei bereits zugelassenen Impfstoffen, z.B. gegen Ebola.



      Totimpfstoffe werden heute nach Möglichkeit nicht mehr entwickelt, sie haben eine sehr hohe Rate an Nebenwirkungen, auch wenn diese nicht schlimm sein müssen.