Kampagne „Media Diversity UK“: Immer nur Täter oder Opfer
Britische Medien beschäftigen kaum Redakteure aus ethnischen Minderheiten. Eine Journalistin startet daraufhin eine Kampagne.
![](https://taz.de/picture/153334/14/photocase1weiss.jpg)
Am 31. Mai nahm sich der Londoner Journalist Rodney Sealy die aktuelle Ausgabe der Gratis-Abendzeitung Evening Standard vor und fing an zu rechnen. Inwieweit bildet die größte Lokalzeitung der multikulturellsten Stadt Europas die Vielfalt Londons ab? 40 Prozent der acht Millionen Londoner gehören ethnischen Minderheiten an. Aber von 158 Menschen, die an diesem Tag im redaktionellen Teil des Evening Standard auf Fotos vorkamen, waren 150 Weiße. Die genau zwei Schwarzen waren ein verurteilter Betrüger und ein von einer Gang getöteter Schüler.
Sealys Artikel The Evening Standard of Whiteness, der am 11. Juni in der Wochenzeitung The Voice erschien, „Britain’s Biggest Black Newspaper“, war für Samantha Asumadu ein Fanal. Die junge Londoner TV-Journalistin ghanaischer Herkunft gründete die Kampagne „Media Diversity UK“, zunächst als Blog. Am Montag startete die Kampagne öffentlich auf der Webseite des Guardian.
„Einer von sechs Menschen in diesem Land kommt aus einer ethnischen Minderheit“, sagt Asumadu zur taz. „Wenn die Redaktionen in diesem Land zu 98 Prozent weiß sind, prägt das die Wahrnehmung und auch die Berichterstattung. Wenn es keine ’People of Colour‘ in den Medien gibt, gibt es keine Empathie.“
Asumadu kam 2010 aus Uganda zurück, wo sie als TV-Korrespondentin gearbeitet hatte. In ihrem Guardian-Artikel berichtet sie: „Als ich aus Ostafrika nach London zurückkam, fühlte ich mich marginalisiert. Ich blätterte durch die Zeitungen und fand nichts von oder über Leute wie ich.“ Die Stigmatisierung der Schwarzen in London als entweder Täter oder Opfer von Gewaltverbrechen verstärkte sich noch nach dem Mord an einem Soldaten durch islamistisch radikalisierte Nigerianer am 23. Mai.
Pool nichtweißer Journalisten
Jetzt will Asumadu einen Pool nichtweißer Journalisten zusammenstellen, der in die Medien drängt. Dass es geht, bewies im Juni die kleine Tageszeitung Independent, die als erste britische Zeitung überhaupt einen nichtweißen Chefredakteur berief: Amol Rajan, 29, geboren in Indien, aufgewachsen in Südlondon.
Immerhin gibt es in Großbritannien seit Jahrzehnten anerkannte nichtweiße TV-Nachrichtenmoderatoren. Deutschlands Redaktionsräume hingegen seien „reine Monokulturen“, kritisierte 2012 Marjan Parvand, Gründerin der Initiative „Neue Deutsche Medienmacher“. Und im Mai forderte die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD) in einem offenen Brief an die taz, Nichtweiße „als ExpertInnen zum Themenfeld Rassismus und Diversity anzuerkennen und für die Medienstrukturen nachhaltig zu gewinnen“. Noch fehlt eine Kampagne wie die in London, damit dieses Anliegen gehört wird.
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