Kampagne Deutsche Wohnen & Co Enteignen: Wo geht's hier zur Enteignung?
Das Volksbegehren startete am Wochenende in die zweite Sammelphase. Zehntausende Berlinerinnen aus allen Schichten haben bereits unterschrieben.
Die Unterstützer:innen eint ein großes Problembewusstsein über die Wohnungssituation in dieser Stadt. „Es muss sich einfach was ändern“, bringt eine circa dreißigjährige Mutter die Lage auf den Punkt. Viele kommen, um ihre persönlichen Mietgeschichten zu erzählen. Es wird deutlich: Schon längst hat die Wohnungsnot den Mittelstand erfasst.
Kampagnensprecher Michael Prütz spricht gegenüber der taz von einem „großartigen Wochenende“. 400 bis 500 Sammler:innenteams seien in der ganzen Stadt unterwegs gewesen. Genaue Zahlen, wie viele Unterschriften bisher gesammelt worden, wolle die Initiative aber erst in vier Wochen herausgeben.
Einen Einblick, wie gut der Sammelstart gelaufen ist, gibt Prütz dennoch: So seien allein in Neukölln in drei Tagen 10.000 Unterschriften zusammengekommen. Und in Friedrichshain-Kreuzberg dürfte es nicht anders aussehen – am Freitag lagen die Zahlen hier sogar über denen aus Neukölln. Gemeinsam mit den zehn weiteren Bezirken dürften also bereits jetzt mehrere zehntausend Berliner:innen für den Volksentscheid unterschrieben haben.
Staatsbürgerschaft benötigt
Viele kommen auch mit Fragen an den Stand. Ob denn dann jede:r mit einer Eigentumswohnung enteignet werden würde, will etwa ein Mann wissen: Nein, es ginge nur um die größten Wohnungskonzerne, die ihre Renditen durch überhöhte Mieten erzielen, lautet die Antwort. Ob die Entschädigungen denn von Steuergeldern bezahlt werden würden, fragt ein anderer. Nein, die Finanzierung solle über Kredite geschehen, die über die Mieteinnahmen abbezahlt würden, erklärt ein Aktivist. Beide Fragesteller unterschreiben letztlich.
Schließlich werden aber wohl nicht wenige Unterschriften als „ungültig“ markiert werden. Denn für eine gültige Unterschrift wird die deutsche Staatsbürgerschaft benötigt. Die Initiative kritisiert, dass damit Hunderttausende Berliner:innen, die diese nicht besitzen, aus dem demokratischen Prozess ausgeschlossen werden. Die Initiative will deshalb nicht nur die nötigen 175.000, sondern stattdessen 240.000 Unterschriften sammeln – damit zumindest symbolisch alle Berliner:innen eine Stimme erhalten.
Zudem verlangt die Bürokratie eine gültige Meldeanschrift – womit auch Obdachlose ausgeschlossen werden. Als einer von ihnen im Mauerpark unterzeichnen will, lassen die Aktivist:innen dies dennoch zu – denn wie absurd wäre es, ausgerechnet obdachlosen Menschen in der Wohnungsfrage die Stimme zu nehmen.
Doch nicht jeder ist angetan von der Idee der Enteignung. Ein Mann, offensichtlich im Designermantel, winkt ab: „Ich kann nicht unterschreiben, ich bin Eigentümer“, sagt er. Auf den Einwand, dass es nur um größten Konzerne mit über 3.000 Wohnungen gehe, erwidert er knapp: „Da will ich hin.“ Auch ganz schön, wenn Klassengegensätze einmal offen und ehrlich ausgesprochen werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen