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■ StandbildKammerspiel kaputt

„Drei Tage im April“, Mo., 20.15 Uhr, ARD

Daß sich im Örtchen Nesselbühl wenige Tage vor Kriegsende doch noch etwas ereignet, merkt man daran, daß den Dörflern das Vögeln im Stroh plötzlich keinen rechten Spaß mehr machen will. Ansonsten sind die Nesselbühler aber bemüht, das Leben möglichst geordnet weitergehen zu lassen. Trotz dieser vergessenen Fracht auf dem Abstellgleis ihres kleinen Bahnhofs. Trotz der zu Hunderten in den Viehwaggons eingepferchten, ausgemergelten Menschen in KZ-Drillich. Trotz der Schreie auf den Gleisen, die mit jedem Tag etwas leiser werden. Das Leben in Nesselbühl soll planmäßig weitergehen. Und so beschließen die Dörfler am Ende des dritten Tages, die Wagen einfach aus ihrem Dorf, aus ihrer Zuständigkeit, aus ihrem Gedächtnis zu schieben.

Die Geschichte von „Drei Tage im April“ beruht auf dem Theaterstück „Die barmherzigen Leut' von Martinsried“, das wiederum auf einer wahren Begebenheit beruht. Oliver Storz hatte bei den Recherchen zu seinem Roman „Die Nebelkinder“ von der Verschiebung der grausamen Wahrheit erfahren und daraus einen dramatischen Stoff entwickelt. Und wirklich mutet die Geschichte der Nesselbühler so an, als sei sie ausschließlich für ein Lehrstück auf dem Theater erdacht. In seiner TV-Version entfernt sich Storz allerdings unerklärlicherweise von der naheliegenden Idee eines Kammerspiels, das seine dramaturgische Dichte durch die Einheit von Zeit, Ort und Handlung hätte erzielen können.

Mit ausladenden Gesten schaut Storz nun in jedes einzelne Haus, führt das geläuterte BDM-Mädchen Anna ein und die weise „Offiziershure“ von der Wehrmachtsbetreuung. Statt den inneren Zwiespalt der Dörfler in Dialogen und Diskussionen darzustellen, statt sich darauf zu konzentrieren, wie sie schließlich ausgerechnet zu dieser bizarren, unmenschlichen „Lösung“ gekommen sind, hat Storz den Zwiespalt der Leute einfach in verschiedene Figuren verlegt. Da gibt es nun also wieder Gute und Böse, Zweifler und Forsche, Ahnungslose und Wissende. In Wahrheit aber soll sich das Dorf recht einig gewesen sein.Klab

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