vorlauf: Kamerawaffen
„Auge/Maschine“ (23.15 Uhr, 3sat)
Man muss, hat Harun Farocki gesagt, nicht neue Bilder erfinden, sondern die vorhandenen lesen lernen. In „Gefängnisbilder“ (im Anschluss ab 23.30 Uhr ebenfalls auf 3sat) nutzt er Bilder einer Überwachungskamera in einem US-Gefängnis, Bilder, die zeigen, wie ein Wärter einen Häftling erschoss.
„Auge/Maschine“ folgt dem gleichen Ansatz: eine Einkreisung des Themas Bilder, Gewalt, Überwachung. Es ist der Versuch, die technischen Kriegsbilder zu verstehen, die wir seit dem Golfkrieg 1991 kennen. Wir sehen schwarzeweiße, abstrakt wirkende Bilder von Explosionen, Bilder von Kameras, die auf Projektilen befestigt sind und ins Ziel jagen. Im Moment der Explosion verlöscht auch das Bild. „Selbstmordkameras“ nennt Farocki das. So als wäre die Kamerawaffe ein Subjekt.
Im Focus des Interesses steht nicht Ideologiekritik, nicht dass diese Bilder die Gewalt verbergen. Farocki fragt nach anderem: nach dem Verschwinden der menschlichen Arbeit in den Maschinen, was Krieg und Arbeit miteinander zu tun haben, letztlich, ob Maschinen Menschen überflüssig machen.
Wir sehen einen Roboter, der Türschilder erkennt. Wir sehen eine Kamera, die ein Walzblech anschaut und Fehler findet. „Die Industrie hat die Handarbeit abgeschafft – und die Augenarbeit ebenso“, heißt es im Off. Wir sehen, wie Maschinen Gegenstände in Bilder übersetzen, in Daten, die sie bearbeiten können. „Smart weapons“, intelligente Waffen, die selbstständig bewegliche Ziele orten und verfolgen, ersetzen den menschlichen Blick. Schrecklich erscheinen uns diese Bilder vielleicht nicht nur, weil sie die Gewalt abstrakt und unkenntlich machen, sondern die Frage stellen, wozu Menschen dabei noch nötig sind.
Die Bilder aus dem Golfkrieg, sagt Farocki, sind „keine Propaganda, eher Reklame für intelligente Maschinen“. Sie machen Werbung für sich selbst. Historisch war es so, dass mit den Arbeiterheeren, mit den Industriearbeitern die Massenheere, die sich auf den Schlachtfeldern bekämpften, einhergingen. Die Automation hat die Fabriken geleert. Und wir beginnen uns vorzustellen, ob es „Kriege von autonomen Maschinen geben kann, Kriege ohne Soldaten wie Fabriken ohne Arbeiter“. (Farocki) STEFAN REINECKE
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