Kai Wargalla über Jamaika und Bremen: „Nicht um jeden Preis“
Die Grünen Landeschefin Kai Wargalla schaut skeptisch auf die schwarz-gelb-grünen Sondierungsgespräche: Jamaika hält sie für eine Möglichkeit – aber kein Ziel
taz: Frau Wargalla, ist das Gefühl der Grünen in Bremen nach der Bundestagswahl eher: gerade noch mal gut gegangen – oder: alles super, weiter so?
Kai Wargalla: Im Bund war das Ergebnis ja schon solide, ein halbes Prozent gewonnen, das ist okay. In Bremen sieht es anders aus: Wir haben verloren, sowohl Wählerstimmen als auch Anteile. Darüber machen wir uns natürlich Gedanken auch im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl in zwei Jahren.
Verloren haben die Grünen vor allem in ihren Hochburgen – und zwar an Die Linke: Bereiten Ihnen vor diesem Hintergrund die Jamaika-Pläne im Bund keine Sorgen?
Die Verluste können wir nicht ignorieren. Wir haben hier in Bremen allerdings auch die einzigartige Situation, dass wir in der dritten Legislaturperiode in Folge an der Regierung beteiligt sind: Das hat es noch in keinem anderen Bundesland gegeben.
Na dann …?
Das soll keine Ausrede sein! Aber das ist eine Tatsache, die man einbeziehen muss in die Überlegungen, woher unsere Verluste kommen und was wir dagegen tun können.
Das heißt, die Grünen verlieren, weil sie mitregieren und so, was einigermaßen normal scheint, Enttäuschte schaffen?
Dass sich Unzufriedenheit gegen die Regierung wendet, ist vielleicht normal. Aber damit will ich mich nicht abfinden. Das Ziel kann ja nicht sein, dass man ein, zwei Legislaturperioden regiert, um dann die Gestaltungsansprüche abzugeben. Das Ziel muss nachhaltiger sein.
Aber muss sich das Risiko, die eigenen WählerInnen zu enttäuschen, nicht potenzieren, wenn man sich auf ein Bündnis mit inhaltlich und kulturell so fremden Partnern einlässt, wie es die Unionsparteien und die bei vielen Grünen regelrecht verhasste FDP sind?
Das Risiko besteht zumindest. Ich glaube, dass Jamaika im Bund für die Grünen allgemein und besonders für uns hier in Bremen sehr schwer würde, gerade aufgrund der Wählerwanderungen nach links.
Also sollten die Grünen mit harten Forderungen in Gespräche über eine Koalition gehen?
Natürlich. Ganz klar: Es ist ja eine zweischneidige Angelegenheit. Alle wissen, dass es sich bei einem solchen Bündnis nicht um eine Wunschkoalition handeln würde. Aber ein links-progressives Bündnis, also Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün lässt das Wahlergebnis nicht zu. Und dann kann man entweder um acht Minuten nach 18 Uhr verkünden, dass man in die Opposition geht und jede Verantwortung abgibt, wie die SPD. Oder man versucht, sich der Situation zu stellen. Denn die WählerInnen haben gewählt. Und die WählerInnen verwählen sich nicht. Das Ergebnis liegt vor. Wenn das nur diese eine Möglichkeit zulässt, hat man hat die Verantwortung, es mindestens ernsthaft zu prüfen.
Aber je kompromissbereiter man reingeht, desto wahrscheinlicher ist doch, dass am Ende eine Einigung steht?
Unsere Aufgabe ist aber keine Einigung um jeden Preis. Unsere Aufgabe ist es, grüne Politik zu machen, und nicht mit Kompromissvorschlägen in Verhandlungen zu gehen. Wir müssen mit ganz klaren Forderungen auftreten. Die liegen auf dem Tisch: Wir haben unser Wahlprogramm, unseren Zehn-Punkte-Katalog – und es gibt Dinge, die Grüne einfach nicht mittragen können, wie etwa eine Obergrenze für Geflüchtete. Wenn man sich da nicht einig wird, dann geht es eben nicht. Es muss klar sein, dass es für uns rote Linien gibt. Auch im Länderrat war die Skepsis sehr groß. Trotzdem war eine breite Mehrheit dafür, sich auf die Sondierungsgespräche einzulassen.
Sind denn die roten Linien der Grünen in Bremen die gleichen wie bei den ParteikollegInnen im Südwesten?
Die verschiedenen Landesverbände behandeln Themen bestimmt unterschiedlich, und wir in Bremen stehen klar weiter links als die Grünen in Baden-Württemberg. Aber auch wenn wir eine vielfältige Partei sind, bleiben wir eine Partei, und es gibt gemeinsame Prinzipien. Die Sondierungskommission spiegelt diese Vielstimmigkeit wider. Die ist ja sehr ausgewogen besetzt …
Das sind nicht bloß Pro-forma-Gespräche?
Ich gehe nicht davon aus, dass das konfliktfreie Gespräche werden. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Und ich bin zugleich sehr skeptisch in Bezug auf Jamaika, nicht nur was die großen inhaltlichen Linien angeht. Es stellt sich ja auch die Frage, wie das über vier Jahre durchzuhalten ist: Wenn es nur darum gehen soll, dass jeder sein Spezialgebiet bekommt und die Grünen da eben für ein paar ökologische Tupfer zuständig wären, fände ich das nicht richtig. Unser Anspruch ist jedenfalls nicht, nur ein bisschen Klientelpolitik zu machen und die anderen Politikfelder links liegen zu lassen.
Das Ergebnis der Bundestagswahl deuten manche als Überwindung des Links-rechts-Schemas und die Jamaika-Koalition als deren logische Folge …
Ja, so was höre ich auch oft. Aber ich weiß nicht, was es da zu überwinden gibt: Ich mache Politik, weil ich für etwas eintrete und für etwas kämpfen möchte – und diese Politik ist nun einmal links, grün und progressiv. Ich finde es richtig, das auch zu benennen. Dieses Wischiwaschi-Ding, diese ständige Bereitschaft, mit allem und jedem zu koalieren, diese Beliebigkeit – die finde ich schwierig. Das möchte ich nicht, und das macht Jamaika so problematisch. Es geht eben nicht darum, um jeden Preis mitzuregieren.
Was heißt das für Bremen?
Jamaika ist kein Ziel. Klar kann man sich sagen: Taktisch wäre es klüger, sich diese Option offenzuhalten. Aber, meine Güte, dann lass das doch die Taktiker aus taktischen Gründen machen. Uns geht es um Inhalte.
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