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Kahlschlag beim Berliner VerlagZusammenlegung jetzt

„Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ sollen künftig aus einer Redaktion kommen. 50 Mitarbeiter müssen wohl gehen.

Ausgepresst: Bei der Berliner Zeitung soll sich alles ändern – vor allem für die Mitarbeiter Foto: dpa

Berlin taz | „We are not amused“ steht mit schwarzen Großbuchstaben auf Holzuntergrund. Thomas Rogalla, Betriebsratsmitglied und Redakteur der Berliner Zeitung, hält das Schild in der Hand. Er hat es wiedergefunden – zuletzt hielt er es, an derselben Stelle, vor dem Hochhaus des Berlin Verlags am Alexanderplatz, vor 11 Jahren. Damals hatte der britische Investor David Montgomery die Berliner Zeitung gekauft. Heute hat Rogalla wieder Grund zu demonstrieren.

Rund 100 MitarbeiterInnen von Berliner Zeitung und Berliner Kurier versammeln sich an diesem Donnerstagmittag. Sie sind fassungslos über das, was sie gerade gehört haben. Für 11 Uhr hatte die Verlagsgeschäftsführung zur Versammlung geladen. Und die vier Männer um Dumont-Chef Christoph Bauer berichteten. Ansage von oben, Fragen der Mitarbeiter nicht zugelassen.

Dumont wird die Redaktionen von Berliner Kurier und Berliner Zeitung zusammenlegen. 140 Mitarbeiter werden in dem gemeinsamen Newsroom im neuen Gebäude am Berliner Spittelmarkt Platz haben, das sind rund 50 weniger als die beiden Zeitungen bisher beschäftigt haben. Boulevard- und Qualitätsinhalte sollen künftig aus einer Hand kommen – das ist neu in der deutschen Zeitungslandschaft. Ressorts wird es nicht mehr geben, stattdessen themenbezogene Teams. Bis Mitte 2017 soll der Newsroom fertig sein.

Publizistisch liegt er schon ab kommenden Dienstag in der Hand der neugegründeten Berlin Newsroom GmbH, geleitet von den drei neuen Chefredakteuren Jochen Arntz (Berliner Zeitung),Elmar Jehn(Berliner Kurier)und Thilo Knott (für die digitale Strategie). Welche Redakteure in der neuen Firma arbeiten sollen, ist noch unklar. Klar ist nur: 30 Stellen sind eingeplant für Hauptstadt- und Onlineredaktion. Die restlichen Mitarbeiter müssen sich neu bewerben. 110 Stellen werden wohl ausgeschrieben, auch extern. Ob diese also tatsächlich alle mit bisherigen Kollegen von Kurierund Berliner Zeitungbesetzt werden, ist unklar.

Klar ist dafür: Anders als es für Köln im Gespräch war,sollen die überregionalen Mantelressorts der beiden Zeitungen im Berliner Newsroom entstehen. Es sollen keine einzelnen Seiten an andere Verlage verkauft werden. Für die Mitarbeiter der neuen Firma soll es einen Haustarif geben, man wolle keine Lowbudget-Redaktion werden. Die Bezahlung der Onliner soll angepasst werden.

Wir konkurrieren jetzt gegen alle diese jungen, preiswerten, motivierten Arbeitskräfte auf dem Markt, die sich mit den Neuen Medien besser auskennen als wir

Redakteurin des „Berliner Kurier“

Doch das tröstet die Mitarbeiter wenig. Sie fürchten, dass sie schlechte Chancen haben, wenn der Verlag die alten Stellen neu ausschreibt. „De facto heißt das, dass wir gekündigt werden“, sagt eine langjährige Mitarbeiterin des Berliner Kurier, die auch zum Demonstrieren vor das Berliner Verlagshaus gekommen ist. Eine Kollegin fügt hinzu: „Wir konkurrieren jetzt gegen alle diese jungen, preiswerten, motivierten Arbeitskräfte auf dem Markt, die sich mit den Neuen Medien besser auskennen als wir. Wir machen seit Jahrzehnten Zeitung, aber auf dem Gebiet Online kennen wir uns nicht aus.“

Auch juristisch ist das Konstrukt heikel: Wertet das Arbeitsgericht die neue Berlin Newsroom GmbH als Betriebsübergang, haben formell alle bisherigen Mitarbeiter Anspruch auf einen Job. Der Betriebsrat will sich gegen die Pläne wehren. Wie genau, das wolle man nun prüfen, sagt Frederik Bombosch, Sprecher des Redaktionsausschusses der Berliner Zeitung. Ein solches Szenario habe es nicht einmal „zu den „Heuschrecken-Investoren“-Zeiten von Mecom gegeben, teilte der Betriebsrat in einer Stellungnahme mit.

2005 hatte die britische Mecom-Gruppe unter Führung von David Montgomery die Berliner Zeitungfür gut 150 Millionen Euro übernommen und ihr ein hartes Renditeziel verpasst. Der damalige Chefredakteur Uwe Vorkötter hatte im eigenen Blatt vor Mecom gewarnt. Schon damals stand Dumont als Käufer bereit, kam aber erst zum Zug, als Montgomery durch die Finanzkrise 2009 zum Verkauf des Berliner Verlags gezwungen war. Doch da war die Berliner Zeitungschon kaputt. Die Auflage befand sich in schwindelerregendem Fall, und der hält bis heute an. Von den 216.600 Exemplaren, die Ende 1996 täglich verkauft wurden, gehen heute noch täglich knapp 96.700 weg. Online spielt die Zeitung kaum eine Rolle.

Das ist ihr in den letzten Jahrenzum Verhängnis geworden. Immer wieder hätte man die Geschäftsführung gebeten, eine Onlinestrategie zu entwickeln, sagt Frederik Bombosch vom Redaktionsausschuss. „Wir wären bereit gewesen, neue Aufgaben zu übernehmen und Arbeitsstrukturen zu verändern. Aber das wurde beim Verlag nicht gehört.“

Vor zehn Jahren hatte sich die Redaktion selbst ein Redaktionsstatut gegeben, in dem die Berliner Zeitung ausdrücklich als Abonnementzeitung ausgewiesen und somit vom Boulevardjournalismus abgegrenzt wird. Redakteur Thomas Rogalla befürchtet nun, dass mit Gründung der neuen Gesellschaft auch dieses Statut einkassiert werden wird. Er sieht die Gefahr eines „gefälligen Quotenjournalismus“, bei dem es vor allem darauf ankommt, was am meisten geklickt werde.

Deswegen passt sein Schild – „We are not amused“ – heute auch wieder so gut, findet Rogalla. Nur interessieren wird in den Chefetagen kaum jemanden.

Wie damals.

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