■ Portrait: Käpt'n Blaubär
Für manchen politikverdrossenen Papa ist der „Presseclub“, vormals Internationaler Frühschoppen, nur noch ein Vorwand. Tatsächlich erscheinen die Familienväter überpünktlich vor dem Fernsehgerät wegen eines gewissen Käpt'n Blaubär, der kurz vor dem Presseclub in der „Sendung mit der Maus“ seinen Auftritt hat. Dieser größte Lügenbeutel der Nation verzückt nicht mehr nur kindliche Betrachter. Wohngemeinschaften verbitten sich jede Störung ab halb zwölf. In Menden im schönen Sauerland gibt es mittlerweile sogar einen Blaubär- Fanclub.
Käpt'n Blaubär spinnt sein Seemannsgarn in Form von Gutenachtgeschichten für seine drei Bärenenkel. Die erinnern an Donald Ducks wiefe Neffen Tick, Trick und Track. Für die Kids vor der Kiste sind sie Vorbilder, wie man den Alten und ihren Flunkereien auf die Schliche kommt. Blaubär verstrickt sich in balkenbiegende Lügengeschichten. Etwa wenn er trotz Flaute auf dem chinesischen Meer einer Galeere voller deutscher Oberförster (!) entkommen sein will. „Wir si-hind die Jäger vom Si-hilberwald! Wir machen a-halle Bären kalt!“ schmetterten die Jägersleut auf Betriebsausflug.
Woraufhin Blaubär, nicht dumm, sich mit einer Ladung Haar-Fönen den nötigen Wind verschafft haben will, um mit seinem Kahn von dannen zu segeln. „Wo kam denn der Strom her, hä?“, wollen die Bärenenkel wissen. Von Hamstern, flunkert Blaubär, die in Laufrädern...
Der heimliche Fernsehstar Foto: WDR
Blaubärs Geschichten, von dem Comic-Zeichner Walter Moers kreiert, enden versönlich. Die Bärenenkel schlafen ein – augenzwinkernd, der Olle habe zwar gut erzählt, aber: „Alles erstunken und erlogen!“ Unversönlich hingegen reagierte das halbwüchsige TV-Publikum, als die ARD-Oberen dem Blaubären zweimal das Lügenwort abschnitten und stattdessen pünktlich mit dem drögen Presseclub begannen. „Hallo doofes Erstes Fernsehen“, schrieben Kinder protestierend. Nina und Renée drohten damit, den Fernseher zu verkaufen.
Das hat offenbar gewirkt. Der Blaubär wird künftig nicht nur allzufrüh im Morgenmagazin (um fünf vor sechs) und in der „Maus“ zu sehen sein. Ab Oktober moderiert der Lügenbär eine eigene Show: den „Käpt'n Blaubär-Club“, samstags um neun. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
