Kämpfe in Libyen: Erdoğans neuer Kriegsschauplatz
Die Türkei will dem Vorrücken von General Haftar in Libyen nicht länger zusehen. Erdoğan will nun auch Kampfpanzer in das Land schicken.
Istanbul taz | Am Samstagabend hat das türkische Parlament einem Militärabkommen mit Libyen zugestimmt, das es der Regierung erlaubt, Militärberater, Ausbilder und Waffen aller Art nach Libyen zu schicken. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan will damit die international anerkannte libysche Regierung von Ministerpräsident Fajis Sarradsch gegen den Warlord General Chalifa Haftar unterstützen, der seit Monaten versucht, die libysche Hauptstadt Tripolis zu erobern.
Mehrfach hatte Haftar bereits den Sturm auf Tripolis angekündigt, war aber immer spätestens in den Vororten an den mit der Regierung verbündeten Milizen gescheitert. Erst seit russische Söldner an Haftars Seite auftauchten und Ägypten und die Arabischen Emirate ihre Unterstützung intensivierten, rückte ein Erfolg in greifbare Nähe.
Verhindert wurde ein weiteres Vorrücken Haftars bereits in den vergangenen Monaten durch türkische Waffenlieferungen an das Sarradsch-Lager. Nun will Erdoğan seine Unterstützung massiv erhöhen. „Wir können nicht länger zuschauen, während von Moskau gesponserte Söldner Haftar unterstützen“, sagte er am Samstag. Letzten Donnerstag hatte die Sarradsch-Regierung die Türkei und vier weitere Länder, darunter Italien, um Unterstützung gebeten.
Ankara hat bislang schon gepanzerte Fahrzeuge, Drohnen und panzerbrechende Raketen an Sarradsch geliefert; jetzt sollen auch Kampfpanzer dazukommen. Außerdem will Erdoğan mehr Soldaten nach Tripolis schicken, die dort als Berater und Ausbilder die regierungstreuen islamistischen Milizen zu einer kampfstarken Truppe machen sollen. „Wir können auch eigene Kampftruppen schicken“, sagte er. Dem müsste das Parlament allerdings gesondert zustimmen.
Opposition gegen „Libyen-Abenteuer“
Anders als den Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien im Oktober dieses Jahres unterstützt die türkische Opposition das „Libyen-Abenteuer“, wie Oppositionsführer Kılıçdaroğlu sagte, nicht. „Was haben wir in Libyen zu suchen?“, wollte er von Erdoğan am Samstag im Parlament wissen.
Doch Erdoğan hat verschiedene Gründe, sich in Libyen zu engagieren. Zum einen steht seine Regierung der islamisch geprägten Sarradsch-Regierung in Tripolis ideologisch nahe. Wichtiger aber ist das Kräftegleichgewicht im östlichen Mittelmeer: Zur Ausbeutung der Öl- und Gasvorräte im Mittelmeer haben sich Ägypten, Israel, Zypern und Griechenland zu einer Allianz zusammen geschlossen, die die Türkei ausdrücklich ausschließt.
Als Preis für die militärische Unterstützung hat die Sarradsch-Regierung Ende November ein weiteres Abkommen mit der Türkei unterzeichnet, in dem beide Länder exklusive Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer für sich abstecken, von denen wiederum Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten ausgeschlossen sind.
Griechenland hat dagegen umgehend bei den Vereinten Nationen protestiert und wird dabei von der EU unterstützt. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die in der vergangenen Woche Zypern besuchte, versicherte den griechischen Zyprioten ausdrücklich ihre Unterstützung.
Gegenspieler Putin
Doch das stört Erdoğan wenig. Entscheidender für ihn ist, dass Russland – wie zunächst auch in Syrien – wieder auf der Gegenseite steht und General Haftar unterstützt. Letzte Woche war bereits eine türkische Delegation in Moskau, um mit Putin nach einer gemeinsamen Lösung in Libyen zu suchen – bislang ohne Erfolg, sonst hätte Erdoğan nicht öffentlich den Einsatz russischer Söldner in Libyen beklagt.
Doch die Gespräche zwischen Moskau und Ankara laufen weiter: Am 8. Januar kommt Putin ohnehin nach Ankara, um eine russisch-türkische Öl-Pipeline, die durch das Schwarze Meer verläuft, einzuweihen.
Unterdessen eskaliert der Konflikt vor Ort. Am Sonntag haben Truppen von General Haftar vor der Küste Libyens einen Frachter gestoppt und abgeschleppt, der zwar unter der Flagge von Grenada fuhr, aber eine türkische Besatzung hat und möglicherweise Waffen für Tripolis transportiert – ein Grund mehr für Erdoğan, sein militärisches Engagement zu intensivieren.
Leser*innenkommentare
Peter Müller
General Haftar ist Moslem und ein entschiedener Gegner aller Extremisten. Deshalb hat er in seinem Einflussbereich auch den IS entschlossen bekämpft und geht gegen die Moslembrüder vor, wofür er die Unterstützung Ägyptens erhält. Das ist auch der Grund, warum er die sogenannte Einheitsregierung in Libyen ablehnt, denn dort sind auch Moslembrüder mit dabei. Sieht man, wie groß sein Einflussbereich schon ist und wie wenig die Einheitsregierung zu sagen hat, bleibt als logische Konsequenz nur, ihn zu unterstützen. Libyen spielt eine entscheidende Rolle in der Migration, da kann nur allen daran gelegen sein, dass dort schnellstens wieder stabile Verhältnisse herrschen.
Henriette Bimmelbahn
@Peter Müller Hoffentlich wird das nicht das nächste Syrien.
Warum betonen Sie, dass einer derr beiden Rivalen um die Macht Moslem ist (ernsthafte Frage)?
Nik...
dito
Nik...
Bleibt nur zu hoffen, daß sich Erdogan und Putin doch noch einigen am 8. Januar.
Was kann es bringen das nicht zu tun? Ist schon deutlich, daß der Türkei ein Krieg an die Backe geheftet werden soll. Auch die Antimoslempropaganda der AfD wirkt wie Kriegsvorbereitung zu Zeiten Stalins, der nach Christen und Buddhisten mittels Kommunismus am liebsten auch noch alle Moslems zu Ende attaktiert hätte. Heute leiden wieder die Uiguren unter den Kommunisten, die AfD möchte das ausdehnen bis in unser Land und hier den Muslimen nicht nur das Leben schwer machen. Die AfD lobt das Vorgehen der Chinesen gegen Uiguren als vernünftige und notwendige Umerziehung. Stalin und Mao lassen grüssen. Hoffentlich wird diese kriegstreiberisch wirkende Absicht auch von den muslimischen Ländern früh genug durchschaut. Im AfD-Umfeld wird der Koran als ein zweites Mein Kampf verunglimpft, nur das der Autor nicht Hitler sondern Mohamed sein soll. Der das äußerste, Michael Stürzenberger von BPE ist bekennender AfD-Foerderer und wurde vom österreichischen Verfassungsschutz als sehr rechts eingestuft und von einem Gericht verurteilt, wegen dieser Geschichten. Die AfD hat nichts Gutes mit unseren muslimischen Mitbürgern vor. Hört und liest man Höcke tauchen auch Fragen auf, ob da letztlich ein Massenmorden an Muslimen vorbereitet werden soll. Die AfD verwehrt sich immer politischer Korrektheit und verweist auf den in der islamischen Welt verbreiteten Antisemitismus oder Antiisraelismus. Nur kann das nicht als Begründung für einen extremen Antiislamismus dienen, der wiederrum unsere muslimischen Mitbürger in Angst und Schrecken versetzt. Kein Teil der Geschichte des letzten Jahrhunderts darf hier als Vorwand dienen, weder Holodomor noch Holocaust, so eine Feindseligkeit gegen den Islam zu erzeugen. Natürlich haben wir Meinungsfreiheit und nicht erst seit Charlie Hebdo die Pflicht, diese zu verteidigen, auch mit Witzen über Mohamed, wenn es sein muss. Doch Höcke klingt so, als ob er viel vor hat.