Durchs Dröhnland: Kacken, Ficken, Eltern morden
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Daß Tomy, dessen Onkel übrigens der Melitta-Mann ist, einmal die RAF ein Pop-Phänomen nannte, wird ihm wohl ewig nachhängen. Dabei sind die Zen-Faschisten, denen Tomy vorsteht, in erster Linie mit das Beste, was dieses Land zu bieten hat, wenn es darum geht, die Rockmusik, so wie wir sie einmal kannten, in den Dub zu überführen. Das kann dann sehr entspannend werden, wenn sie nicht irgendwas spielen, was sowieso niemand versteht. Oder nur Alec Empire, der sie sehr schätzt. Gar nicht entspannt dagegen sind die Golden Showers, die aus dem Umfeld von Human Wrechords stammen, der zentralen Berliner Verlegungsstelle, was Lärm in seinen grundsätzlichsten Ausformungen angeht.
17. 1., 22 Uhr, Hohe Tatra, Rosenthaler Straße 192
Vicki Vomit stammt aus Erfurt und spricht deshalb ganz hervorragend sächsisch. Sonst gibt es noch zu erwähnen, daß er einen Hit hatte mit der aufbauenden Zeile „arbeitslos und Spaß dabei“. Der Rest seiner Lieder ist genauso lustig und heißt zum Beispiel „Jeanette hat Pickel“ oder „Durchfall im Weltall“.
17. 1., 24 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz
Gar nicht lustig scheint es momentan Phillip Boa zu gehen. Der feiert das Erscheinen einer neuen Platte nicht an einem Orte der größeren Mittelklasse, wie es früher standesgemäß gewesen wäre, sondern erwählte sich das Trash. Rückkehr zu den Wurzeln oder schlichte ökonomische Notwendigkeit?
17. 1., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41
Berlin ist ganz sicherlich nicht die Hauptstadt deutscher U-Musik, aber es war zumindest einmal das Zentrum des deutschen Kabaretts. Um die politische Sprechvariante dieser eher altertümlichen Kunstform ist es momentan nicht zum besten bestellt, aber jetzt gibt es ja Knorkator. Drei Menschen, die schon mal nackt über Bühnen hüpfen, Kirchenharmonien mit Dummbratzgitarren zusammenbringen, sich mit Scheiße bewerfen, das Publikum in einer eigens mitgebrachten Toilette nach Überraschungen fischen lassen und auch sonst nichts auslassen, was möglicherweise gegen die letzten vorhandenen Reste von gutem Geschmack verstoßen könnte. Aber immerhin wissen sie selbst, daß man heutzutage mit Texten übers Kacken, Ficken und Elternermorden niemanden mehr schockieren kann, auch wenn sie in sakralem Tonfall vorgetragen werden. So was ruft bestenfalls noch Heiterheit hervor, auch bei den Vortragenden selbst. Weshalb sie freudig immer wieder an Udo Lindenberg erinnern, der nicht nur ein alter Sack ist, sondern das Berliner Trio angeblich auch mal als „Deutschlands Randaleband Nummer eins“ gelobt haben soll. Die eigene Musik, sagt Mastermind Alf Ator, sei eben „dumm genug, um nicht ganz ernst genommen zu werden“. Ansonsten gilt einer ihrer Refrains: „Mich verfolgt meine eigene Scheiße“.
18. 1., 21 Uhr, Wabe, Danziger Straße 101
In den wirtschaftlich schlechten Zeiten, als der Aufkleber „Buy British!“ auf Platten noch nichts zu suchen hatte, wurden die Dostoyevskys von der englischen Presse in schönen Abständen zur Hoffnung erklärt. Daraus ist nichts geworden, und schließlich löste man sich wieder auf. Statt dessen spielten die inzwischen nun auch schon reiferen Herrschaften ihre letzte Tour im Vorprogramm solcher Rotznasen wie Oasis. Trotzdem droht wohl auch Superstore, der neuen Band von Wayne Jackson, Mister Dostoyevsky himself, ein vergleichbares Schicksal wie der Vorgängerformation.
18. 1., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Belgien hat zur Entwicklung der populären Musik vor allem die Electronic Body Music beigetragen, aber als Nabel der HipHop-Welt war das Land der Frittenerfinder nicht gerade berühmt. De Puta Madre kommen trotzdem aus Brüssel und machen schnell klar, daß es dort nicht so plüschig zugeht wie bei den Nachbarn im Süden mit ihrem SchmuseHop. Da muß man die Raps gar nicht verstehen, die mal englisch, mal französisch daherkommen und manchmal auch mit Akzenten spielen. Es genügt, den bekifft rotierenden Schleifen nachzuhorchen, die DJ Grazhoppa, der auch noch für andere belgische Acts arbeitet, den drei Rappern untergemischt hat. Da kommt auch schon mal ein Flirren wie von einem Sitar oder Pfeifgeräusche, die immer einen Halbton zu hoch zu sein scheinen, bohren sich im Zeitlupentempo ins vegetative Nervensystem.
Dann führt eine scheinbar fehlerhaft gesamplete Bluesgitarre ein ungelenkes Tänzchen auf. Das erinnert zwar nicht nur zufällig an Cypress Hill oder House of Pain – De Puta Madre mögen genauso breit und verzögert sein und ähnliche Sounds benutzen –, aber die Belgier sind bei weitem eleganter und dichter. Während man einen Cypress-Hill-Track beim dritten Hören durchschaut und als langweilig entlarvt hat, schieben De Puta Madre über einer einschläfernd monotonen Grundebene einiges an Zwischengeräusche, die einen am Zuhören halten. Was für Belgien gilt, stimmt für die Niederlande schon lange.
Aber hinter den Deichen sind Zombi Squad das Maß aller Dinge. Zuerst scheint der Gang der Dinge auch hier ein eher gemütlicher, aber trotz ähnlicher Geschwindigkeit strahlen die Beats, die aus irgendeiner hübsch klingenden Mülltonne gezogen worden sind, eine ganz andere Dynamik aus. Vielleicht rauchen die hier auch einfach weniger. Und das als Holländer? Vielleicht sind sie auch nur Old School, denn auch die etwas in Vergessenheit geratene Kunst des Scratching kommt zu ausführlichen Ehren und die Rapper spucken, was das Zeug hält.
19. 1., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 224 Thomas Winkler
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