Kabinettsumbildung in Niedersachsen: Erste Ministerin mit Migrationshintergrund
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff bildet sein CDU/FDP-Kabinett auf vier Positionen um. Alle vier ausscheidenden Minister gehören der CDU an.
HANNOVER dpa | Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will für neuen Schwung in der Landesregierung sorgen und tauscht gleich vier CDU-Minister aus. Es ist die größte Kabinettsumbildung in seiner Amtszeit. Dabei landete er einen Überraschungscoup mit der neuen Sozial- und Integrationsministerin, der 38 Jahre alten Juristin Aygül Özkan aus Hamburg. Mit ihr werde erstmals in Deutschland eine Frau mit Migrationshintergrund Ministerin, verkündete Wulff am Montag stolz. Er sprach von einem Neustart der Regierung mit "neuen Ideen".
Auch eine zweite Ministerin holt der Regierungschef von außen: Brandenburgs CDU-Chefin Johanna Wanka (59) wird Wissenschaftsministerin. Sie löst Lutz Stratmann ab. Wanka, jahrelang Ressortchefin in Potsdam, sagte: "Ich bin nicht für laute Töne und Polarisierung, sondern orientiere mich an der Sache."
Die 45 Jahre alte Astrid Grotelüschen aus dem Kreis Oldenburg - erst seit sechs Monaten Bundestagsabgeordnete - übernimmt das Agrarministerium. Hans-Heinrich Ehlen, gesundheitlich angeschlagen, muss gehen. "Agrarland Nummer 1 - das sind wir hier in Niedersachsen, das wollen wir bleiben", sagte Grotelüschen.
Weniger überraschend war dagegen die Besetzung des Kultusministeriums mit dem 43-jährigen Bernd Althusmann, seit zehn Monaten war er bereits Kultus-Staatssekretär. Er übernimmt den Posten der eher glücklosen Ministerin Elisabeth Heister-Neumann, die Streit in der Schuldebatte auslöste und Verbände gegen sich aufbrachte.
Die Opposition kritisierte Wulff Entscheidungen umgehend. Der Regierungschef habe zwar neue Köpfe, aber keine neuen Ideen präsentiert, bemängelten SPD, Grüne und Linke. Scharfe Kritik gab es vor allem an der Berufung der neuen Landwirtschaftsministerin wegen ihrer Herkunft aus einem industriellen Agrar-Großbetrieb. Ferner rügte die Opposition das Festhalten Wulffs an Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP).
Der Regierungschef betonte dagegen: "Es entsteht ein neuer Aufbruch." Schwächen einzelner Minister seien nicht die Grundlage für seine Kabinettsumbildung, betonte er. Keine einzige Personalentscheidung sei getroffen worden, weil sich ein Regierungsmitglied etwas habe zu Schulden kommen lassen.
Mit seiner neuen Sozial- und Integrationsministerin, der türkischstämmigen CDU-Abgeordneten Özkan setzt Wulff einen besonderen Akzent. Er gibt der Integrationspolitik ein stärkeres Gewicht. "Ich bin mir bewusst, dass ich eine Vorbildrolle spiele", sagte Özkan. Sie löst Mechthild Ross-Luttmann ab, die stets ein wenig blass blieb.
Wulff schilderte, er habe die neuen Köpfe in seiner Regierungstruppe auch bei einem "bundesweiten Screening" gefunden - er suchte also nicht nur in Niedersachsen, sondern deutschlandweit nach neuen Ministern. Zugleich hat er Innenminister Uwe Schünemann (CDU) einen Dämpfer verpasst, weil dieser bisher für die Integration mitverantwortlich war. Zuletzt hatte es,etwa wegen der Moscheekontrollen, immer wieder Spannungen zwischen Wulff und Schünemann gegeben.
Der Ministerpräsident räumte ein, dass es innerhalb der eigenen CDU-Landtagsfraktion nun auch manche Enttäuschung geben dürfte. Einige Abgeordnete hatten sich Hoffnung auf einen Ministerposten gemacht. Wulff sagte, er habe in der Vergangenheit immer wieder Minister abgegeben - etwa die jetzige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). "Da ist es nur recht und billig, dass man sich von außen jemanden holt."
Die Minister Uwe Schünemann (Innen), Hartmut Möllring (Finanzen) und Bernd Busemann (Justiz) behalten ihre Posten. Auch die FDP-Ressorts mit Hans-Heinrich Sander und Jörg Bode bleiben unangetastet. Start der neuen Regierung ist am kommenden Dienstag - dann werden die vier CDU-Minister vereidigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Missbräuchliche Geschlechtsänderung
Reine Provokation
Datenschützer über neue Patientenakte
„Es ist ein Leichtes, unbefugt auf Daten zuzugreifen“
Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar
Grünen-Vorsitzende drohen angeblichem Opfer mit Konsequenzen
Die Wehrpflicht in den Wahlprogrammen
Müssen sie dienen?
Elon Musk und die Start-up-Szene
Idol oder Igitt?
Waffenstillstand im Gazastreifen
Verhärtete Fronten