Etwas mehr Geld und viele Fragezeichen

Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung ist vom Kabinett beschlossen. Landkreise warnen vor „Verwaltungsdesaster“, Verbände sind gegen Kürzungen bei Flüchtlingen

Familienministerin Lisa Paus lächelt in die Kamera, die Kindergrundsicherung ist im Kabinett beschlossen

Familienministerin Lisa Paus macht glückliche Miene zum mickrigen Spielchen: die Kindergrundsicherung hat das Kabinett passiert Foto: Fo­to:­ Michael Kappeler/dpa

Von Barbara Dribbusch

Sie kommt, sie kommt nicht, sie kommt ... jetzt kommt sie, jedenfalls in einem ersten Schritt: Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen. Es werde künftig „bessere, schnellere und direktere Leistungen für Familien“ geben, versprach Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nach der Sitzung des Kabinetts. Das Gesetz, das ab Januar 2025 gelten soll, kommt im November in den Bundestag.

Die Ampel-Koalition will mit der Kindergrundsicherung bisherige Leistungen wie das Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder, den Kinderzuschlag für geringverdienende Eltern und teilweise auch Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket unter dem Oberbegriff der „Kindergrundsicherung“ zusammenfassen. Neu einzurichtende „Familienservicestellen“ bei der Bundesagentur für Arbeit sollen die Kindergrundsicherung auszahlen. Die Kindergrundsicherung besteht dabei aus mehreren Unterleistungen. Das bisherige Kindergeld wird zum sogenannten „Garantiebetrag“ in der Kindergrundsicherung, den alle Familien wie bisher bekommen. Das Bürgergeld und der Kinderzuschlag werden in der Kindergrundsicherung hingegen künftig „Zusatzbetrag“ heißen und auch weiterhin einkommensabhängig bleiben.

Die Kindergrundsicherung ergebe „auch materiell eine bessere Leistung“ sagte Paus am Mittwoch. Sie kündigte eine Neuberechnung des Existenzminimums für Kinder an, die nach bisherigen Schätzungen mindestens 20 bis 28 Euro mehr an monatlicher Leistung pro Kind für die Emp­fän­ge­r:in­nen des Kinderzusatzbetrags mit sich bringen könnte. Zudem schlagen die grundsätzlichen jährlichen Erhöhungen beim Bürgergeld, die alle Leis­tungs­emp­fän­ge­r:in­nen betreffen, auch bei den Be­zie­he­r:in­nen des Zusatzbetrages zu Buche. Laut dem Gesetzentwurf sollen zudem Einkommen, auch Unterhaltszahlungen beim Bezug des Kinderzusatzbetrages weniger streng angerechnet werden als bisher beim Bürgergeld.

Leistungen für die Kinder von Geflüchteten sollen durch das Gesetzesvorhaben allerdings gekürzt werden, denn sie werden entkoppelt von der Kindergrundsicherung. Damit fällt der sogenannte Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat, den Kinder im Bezug von Bürgergeld und von Asylbewerberleistungen bisher gleichermaßen bekommen, für Flüchtlingskinder künftig weg. Das Kinderhilfswerk und über 20 andere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten dies. Die Kinderrechtskonvention verbiete eine „Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus“, erklärten die Organisationen, darunter die Diakonie, der AWO-Bundesverband und die Gewerkschaft GEW.

Dadurch, dass auch Familien im Bürgergeldbezug künftig die Leistungen für ihre Kinder von einer „Familienservicestelle“ bekommen und nicht mehr vom Jobcenter, befreie man Eltern und Kinder von Stigmatisierung, sagte Paus. Der Deutsche Landkreistag warnte jedoch vor einem „Verwaltungsdesaster“. Der Gesetzentwurf führe zu Doppelstrukturen, erklärte Landkreistag-Präsident Reinhard Sager. Während die Familienservicestellen bei der Bundesagentur für Arbeit künftig den Zusatzbetrag auszahlen sollen, sind die Jobcenter weiterhin für Eltern im Bürgergeldbezug und auch für Mehrbedarfe der Kinder zuständig. Einige Leistungen aus dem Bildungspaket, wie etwa Schulessen und Vereinsgebühren, werden zudem mancherorts von den Jobcentern im Auftrag der Kommunen ausgezahlt.

„Entwurf ist Bürokratie­ungeheuer“

Bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU)

Der Gesetzentwurf braucht die Zustimmung des Bundesrats und damit auch die Stimmen der unionsgeführten Länder. Die bayrische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) bezeichnete den Entwurf bereits als „Bürokratieungeheuer“. Der Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung soll laut Paus insgesamt rund 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche erreichen. Die Mehrkosten werden im Jahre 2025 auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt, wovon rund 400 Millionen Euro für den Verwaltungsaufwand eingeplant sind. Die jährlichen Mehrkosten könnten bis 2028 auf fast sechs Milliarden Euro steigen, wenn die Zahl der Leistungsempfänger zunimmt.

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