Kabinenpredigt: Jugend trainiert

Er hätte ein ganz Großer werden können. Er war der Held der B-Jugend. Denn er hatte einen großen Auftritt. Einmal hatte es der Präsident des Kiezclubs, für den er gespielt hat, geschafft, ein Spiel gegen den Nachwuchs des VfB Stuttgart zu organisieren. Er hat mitgespielt – und dreimal die Abwehr des großen VfB düpiert. Er war der Star des Spiels.

Ein Jahr später war sein Name auf keinem Spielbericht mehr zu finden. Er hatte aufgehört – im Alter von 17 Jahren. Das Bier hat einfach zu gut geschmeckt, Zigaretten haben ihn langsamer werden lassen, die ersten Freundinnen wollten nicht mit einem Fußballer liiert sein.

23 Jahre danach ist er zurückgekehrt zu seinem alten Club. Als Trainer. Seine Kinder wollten Fußball spielen und sein alter Club brauchte einen Trainer. Jetzt betreut er die Sechsjährigen seit dem Sommer. Zweimal in der Woche ist Training, am Wochenende meist ein Punktspiel. Auch an den anderen Tagen der Woche ist er für seine Fußballzwerge da.

Mindestens einmal am Tag ruft ein Fußballpapa an und beschwert sich. „Warum hat Ali nicht gespielt am Wochenende“, fragt einer und droht: „Wenn das so weitergeht, dann wechseln wir. Woanders wären sie froh, wenn sie einen hätten wie Ali.“ Ein anderer mosert über den Schiedsrichter vom Wochenende. Der sei blind gewesen. „Normalerweise muss er den doch vom Platz stellen“, schreit er in den Hörer, „das war eine Tätlichkeit.“

Fragen prasseln auf den Trainer ein. Was kosten gute Fußballschuhe? Sind fünf Kilometer Waldlauf täglich als Trainingsergänzung für Sechsjährige nicht zu wenig? Und wann führt der Verein endlich Hausaufgabenüberwachung ein? Das müsse doch drin sein bei dem Jahresbeitrag. „Ich zahle 90 Euro im Jahr, da kann ich doch wohl verlangen, dass Ali am Wochenende spielt.“ Manche Papas sind besonders hartnäckig. Der Nachwuchstrainer bleibt geduldig und fragt sich, wie er es seinerzeit nur so lange ausgehalten hat im Club. Auch sein Papa hatte in regem Austausch mit dem Übungsleiter gestanden. ANDREAS RÜTTENAUER