Kabila gestärkt: Kongos Regierung tritt zurück
Der Premier Gizenga erklärt seinen Rücktritt und damit den des gesamten Kabinetts. Mit diesem Schritt verschärft sich die Krise des von Bürgerkrieg und Streiks erschütterten das Land.
Mitten in einem neuen Krieg und schweren politischen und wirtschaftlichen Problemen verliert die Demokratische Republik Kongo ihre Regierung. Premierminister Antoine Gizenga verlas am Donnerstagnachmittag im Staatsfernsehen seine Rücktrittserklärung. Der 82-jährige Führer der Vereinigten Lumumbistischen Partei (Palu), letzter noch aktiver Veteran der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung der 60er-Jahre, gab Alters- und Gesundheitsgründe für seinen Schritt an.
Ein Nachfolger wurde nicht benannt. Mit dem Rücktritt des Regierungschefs verliert automatisch die gesamte Regierung ihre Ämter, außer dem Präsidenten. Damit kann Joseph Kabila provisorisch mit seinem informellen Beraterkreis und den hohen Militärs erstmal allein regieren. Bislang besteht Kongos Regierung aus einer Koalition zwischen Kabilas Allianz der Präsidialen Mehrheit (AMP), Gizengas Partei Palu sowie der Udemo (Union demokratischer Mobutisten) unter einem Sohn des verstorbenen Diktators Mobutu Sese Seko. Gizenga sicherte Kabila Akzeptanz im Westen des Landes, der 2006 massiv gegen ihn gestimmt und für Gizenga sowie dem mittlerweile in Den Haag inhaftierten Jean-Pierre Bemba votiert hatte. In den aufsässigen Slumvierteln der Hauptstadt Kinshasa stellt Gizengas Partei die bestorganisierte politische Kraft dar, mit regelmäßigen morgendlichen Diskussionsrunden für Parteimitglieder auf öffentlichen Plätzen. Am stärksten ist sie in Gizengas Heimatprovinz Bandundu östlich von Kinshasa, Schauplatz der letzten großen lumumbistischen Guerillabewegung in den späten Sechzigerjahren.
Mit dieser gut mobilisierten Anhängerschaft hatte Gizenga bei den Präsidentschaftswahlen 2006 einen überraschenden Achtungserfolg von 14 Prozent der Stimmen bekommen. Als er Premierminister wurde, war Gizenga allerdings schon so alt und schwach, dass er nur wenig bewegen konnte. In Kinshasa wird erzählt, er könne höchstens noch 20 Minuten am Stück arbeiten.
Mit seinem Rücktritt kam Gizenga einem Misstrauensvotum zuvor, das die parlamentarische Opposition am Freitag gegen ihn erwirken wollte. In den letzten Wochen war Kritik an der Reformunfähigkeit der Regierung massiv gewachsen. Das ganze Land wird derzeit von einer Streikwelle im Bildungs- und Gesundheitswesen erschüttert. Dazu kommt der anhaltende Krieg gegen die Rebellen von Laurent Nkunda im Osten des Landes, der die Ineffizienz der Armee vor Augen führt, und Affären wie die, dass seit einem Jahr keine Reisepässe ausgestellt werden können, weil die Regierung die Hersteller der neuen biometrischen Dokumente nicht bezahlt hat. Bei der Eröffnung der neuen Sitzungsperiode des Parlaments am 15. September hatte der geschäftsführende Parlamentsvorsitzende Christophe Lutundula, Führer einer Kleinpartei innerhalb der Kabila-Allianz AMP, gewarnt: "Die Stunde der Wahrheit kommt langsam, aber sicher." Er erinnerte daran, dass die Regierung automatisch als zurückgetreten gelte, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen ihren Haushaltsentwurf für 2009 einreiche - wovon bisher nichts zu sehen ist.
Dass solche harten Anwürfe aus dem Präsidentenlager kommen, macht es möglich, dass das Kabila-Lager in Zukunft ohne den auf Korruptionsbekämpfung bedachten Partner Palu regieren will. Ohnehin gibt es nach allgemeiner Auffassung in der Palu keinen mit der Statur Gizengas vergleichbaren Politiker.
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