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KZ-Gedenkstätten ohne polnische DomainsAuschwitz war ein deutsches KZ

Polen ist der Begriff "polnisches Todeslager" schon länger ein Dorn im Auge. Deswegen verbannt der Kulturminister jetzt die KZ-Gedenkstätten aus dem polnischen Internet.

Hinter dem Stacheldraht: Baracken im Todeslager Auschwitz-Birkenau. Bild: fedewild | CC-BY-SA

WARSCHAU taz | Die in Polen liegenden KZ-Gedenkstätten sollen künftig im Internet nicht mehr unter der Landeskennung .pl erreichbar sein. Polens Kulturminister Bogdan Zdrojewski will durch diese Änderung erreichen, dass das deutsche Vernichtungslager Auschwitz in den Medien nicht mehr fälschlich als "polnisches Konzentrationslager" bezeichnet wird. Verschwinden soll daher künftig die Internetadresse www.auschwitz.org.pl für die NS-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Oberschlesien und die Adresse www.stutthof.pl. für das ehemalige KZ in Stutthof bei Gdansk (Danzig). Die Gedenkstätte Majdanek in der südpolnischen Stadt Lublin hat ihre Internetadresse bereits in www.majdanek.eu abgeändert.

Seit 2005 kämpft Polen offensiv gegen geschichtsverfälschende Formulierungen an. Zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 waren weltweit zehntausende Artikel erschienen, davon etliche, in denen von "Nazi-Polen", "polnischen Todeslagern", oder gar von "polnischen Gaskammern" die Rede war. Diese auffällige Fehler-Häufung löste in Polen den Verdacht aus, dass es sich hier nicht um schlichte Flüchtigkeits- und Grammatikfehler handle, sondern um bewusste Geschichtsfälschung. Aus Opfern sollten angeblich Täter gemacht werden.

Unter dem Titel "Gegen polnische Konzentrationslager" startete daraufhin die nationalkonservative Tageszeitung Rzeczpospolita eine Aktion, der sich bis heute tausende Polen anschlossen. Sobald die Leser in einem eigentlich richtigen Artikel auch eine einzige falsche Formulierung finden, schreiben sie wütende Protestbriefe. Polnische Botschafter intervenieren öffentlich und verlangen von ausländischen Medien schriftliche Entschuldigungen beim polnischen Volk. Auch namhafte Politiker wie der frühere Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, der als Abiturient in Warschau in eine Straßenrazzia der Nazis geriet und einige Monate im deutschen KZ Auschwitz einsaß, empört sich regelmäßig über die geschichtsverfälschende Formulierung "polnisches Todeslager".

Da die Proteste im Ausland keine große Wirkung zeigten und es weltweit immer wieder zu fehlerhaften Bezeichnungen kam, änderte die UNESCO 2007 auf Antrag Polens den Namen des KZ Auschwitz auf der Weltkulturerbe-Liste um. Ab Juni 2007 heißt das KZ offiziell "Deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau". Doch auch diese Maßnahme brachte nicht den gewünschten Erfolg. Journalisten, die über Auschwitz schreiben, schauen nur selten zuvor auf der UNESCO-Kulturliste nach.

Nun soll eine Änderung im Internet Abhilfe schaffen. Doch wer die Seiten der KZ-Gedenkstätten in Polen anklickt, stößt vor allem auf Informationen in polnischer Sprache. Die Gedenkstätte Auschwitz hat schon vor Jahren ihre deutschsprachige Internetseite gelöscht. Unter dem Foto mit dem Eingangstor "Arbeit macht frei" sind heute nur noch eine englische und eine polnische Flagge zu sehen und darunter die Worte "english version" und "wersja polska".

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16 Kommentare

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  • P
    Polnischer-Deutscher

    Gerda Fürch

     

    Wenn sie schon so neugierig nachfragen: Ich habe mehrere KZ-Gedenkstätten besucht und vor allem Ausschwitz denn dort ist meine polnische Urgroßmutter ermordet worden (Im Stammlager, nicht im Außenlager Ausschwitz-Birkenau). Also kommen sie mir bloß nicht Oberlehrerhaft daher!

     

    Was ihre Anmerkungen zu den Vertriebenen betrifft: Die Teilweise revanchistische und nationalistische Aussrichtung von einigen Vertriebenenverbänden wie der BdV und ihrer ehemaligen NSDAP- und SS-Mitglieder ist die eine Sache. Auch die NSDAP-Hochburgen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ist eine Sache für sich. Natürlich war die Vertreibung letztlich eine Folge des Krieges und der nationalsozialistischen Verbrechen. Aber eine Rechtfertigung für die Vertreibung und ihrer Folgeerscheinungen ist dies noch lange nicht. Man muss historisch und moralisch immer zwischen einer ERKLÄRUNG und einer RECHTFERTIGUNG unterscheiden können. Ganz offenbar können dies in Deutschland weder rechte Nationalisten noch die wenigsten linken Anti-Nationalisten.

  • GF
    Gerda Fürch

    Wer von Ihnen hier im Blog, frage ich mich, ist jemals zur Mahn- und Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bei Krakau gereist, hat sich alles dort genau angesehen und hat gleichzeitig dort der großen Schande und der großen menschenverachtenden Verbrechen der Deutschen gedacht?

     

    Noch eine Bemerkung: Ich glaube nicht mehr, daß die sogenannten Vertriebenen wirkliche "Vertriebene" sind, sondern daß sie in Wahrheit aus den Ostgebieten "Rausgeschmissene" sind! Die Bezeichnung "Vertriebene" wurde mit Beginn der 50er Jahren unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) manifestiert. Diese waren bis zum Berliner Mauerfall im November 1989 nachweislich revanchistisch ausgerichtet, kassierten seit den 50er Jahren jährlich viele Millionen Fördermittel des Bundes und der Länder mit der Begründung für "kulturelle Förderung".

     

    Die Hochburgen der Nazis waren allesamt in den eroberten und vereinnahmten Ostgebieten! Siehe auch "Ständige Ausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus" im Bendlerblock in der Stauffenbergstraße in Berlin-Tiergarten Süd. Heute residiert dort die Hälfte des Bundesverteidiungsminiseriums.

  • S
    Sigmund

    Also eigentlich ist die polnische Domain schon richtig:

    Denn wie schon gesagt waren zwar die Vernichtungslager deutsch, aber die heutigen Gedenkstätten liegen in Polen, werden vom polnischen Staat betrieben, sind also polnisch.

     

    Was man beachten muß: Haben die KZ heute noch eine eigene Website? Natürlich nicht. Es sind die Websites der Gedenkstätten, nicht der KZ. Und diese (die Gedenkstätten) sind natürlich polnisch, also ist genaugenommen die polnische Domain scon richtig.

     

    aber man kann es auch verstehen, wenn den Polen die Assoziation "polnisches KZ" unangenehm sind, denn es waren eben deutsche KZ, aber polnische Gedenkstättten.

     

    (Was für eine semantische Haarspalterei!)

  • Q
    Querulant

    @Lamsdorf

     

    Wenn sie schon das Lager in Lamsdorf/Lambinowice müssen sie schon konkreter sein. Zum einen war das Lager zunächst ein brutales Kriegsgefangenen der Wehrmacht insb. für polnische und russische Soldaten. Danach wurde es im kommunistischen Nachkriegspolen zu einem ebenso brutalen und tödlichen Internierungs- und Todeslager für die deutsche Zivilbevölkerung der Umgebung. Es ist quasi ein Ort an dem sich die Leiden von Polen UND Deutschen verursacht durch die jeweils andere Seite an einem Punkt verdichtete.

     

    Und wenn Sie schon Links zum Lager Lamsdorf hier hineinstellen, dann sollten sie schon aktuellers als einen Spiegelartikel von 1979 verwenden. Denn die historische Forschung und der deutsch-polnische Dialog bezüglich einer Erinnerungskultur sind auch im Falle Lamsdorf wesentlich weiter. Nach der politischen Wende 1989/90 war es ein polnischer Historiker der in seinem Buch "Im Schatten von Lamsdorf" sowie weiterer Bücher den Fall Lamsdorf aufarbeitete und einen Beitrag zur öffentlichen Debatten zur Vertreibung der Deutschen in Polen beitrug.

     

    Wovor also sollten "die" Polen Angst haben, wenn das Thema "Internierungslager Lamsdorf" längst kein Geheimnis mehr ist und die historische Aufarbeitung längst in Gang ist? Sie brauchen hier keine schwammigen Verschwörungstheorien konstruieren, nur um ihre nationalistischen Vorurteile zu verbreiten.

     

    http://www.deutsche-und-polen.de/orte/ort_jsp/key=lamsdorf_lambinowice.html

     

    www.cmjw.pl

  • L
    Lamsdorf

    erstaunlicherweise wird auf die .eu statt auf die .de Domain ausgewichen... so etwas verlogenes. Aber ein Copyright auf Vernichtungslager haben nicht nur die Deutschen.

     

    Die Polen haben sicherlich auch Bedenken, dass ein Thema wie das Lager Lamsdorf ausversehen in der Öffentlichkeit wieder auftaucht wenn über polnische Lager diskutiert wird.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40349655.html

  • P
    Polnischer-Deutscher

    @Ben

     

    und sie sind einfach ein... oh pardon, Beleidigungen darf ich hier nicht aussprechen... aber so als Tipp: Es fängt mit D an und endet mit Doppel-P.

  • GV
    Graf von Mainberg

    Sicherlich ist die Forderung Polens, die KZ-Gedenkstätten nicht als

    "polnische KZ's" zu bezeichnen, mehr als berechtigt.

    Jedoch ist es mir unerklärlich, weshalb die Websites der Gedenkstätten tatsächlich nur eine Englische und eine Polnische Version bieten. Dem Charakter der Gedenkstätte nach wäre es das Mindeste eine Deutsche und eine Hebräische Version der Website anzubieten und zwar EGAL wie hoch die jeweilige Nachfrage danach ist (Übersetzer wird man ja wohl auftreiben können...)

    Besonders muss man sich dann nicht wundern, wenn Auschwitz versehentlich als "polnisches KZ" genannt wird, wenn man sich nichtmal die Mühe macht, andere Versionen als die Englische und die Polnische bereitzustellen.

     

    Um nicht zu sagen: Ich fühle mich in meinem Nationalstolz gekränkt, wenn man in Polen den Charakter der Gedenkstätten verkennt und so eine vernünftige Vergangenheitsbewältigung verhindert wird.

  • P
    Peter

    Das mit der Umstellung der Domainendungen ist nur logisch und richtig. Warum allerdings deutsche Sprachversionen dafür wegfallen sollen, ist nicht nur unlogisch, sondern auch in diesem Zusammenhang in Polen gar nicht in der Diskussion. Unter www.Polen.Pl/gedenkstatten-internetadressen-in-falschen-handen/ findet sich auch ein interessanter Bericht über das Vorgehen bei der Umstellung. Das ist eher vom Ministerium als von der öffentlichen Diskussion getrieben. Das wird hier deutlich. Allerdings gibt es auch Probleme mit Domaingrabbern, was auch die nur teilweise Umstellung der Adressen bisher klärt...

  • CN
    Carl Nab

    Nun, die polnische Argumentation kann ich nachvollziehen.

    Wenn man aber mit den Hinterlassenschaften des Naziregimes aber gar nichts am Hut haben möchte, kann man auch die ehemaligen Ostgebiete an den Staat abtreten, der sich auch alle Lasten aus der unrühmlichen Vergangenheit aufbürden lässt.

    Nur so ein Gedanke.

  • P
    Polnischer-Deutscher

    @morgenthau

     

    Auch wenn es hier darum gar nicht geht. Ja natürlich gab es diese klare Trennlinie nicht. Wo wird dies bestritten?

     

    Aber die Konzenrationslager waren eine Einrichtung der Nationalsozialisten um politische Feinde zu internieren und später um Juden zu ermorden, darum sind dies "nationalsozialistische" Konzentrationslager die zum nationalsozialistischen Machtsystem gehörten und deren Ideologie entsprangen. Es spricht ja auch keiner von "russischen" GULAGs sondern von "sowjetischen" Lagern, weil diese Teil des sowjetischen Kommunismus waren.

  • VF
    Velo Fisch

    Natürlich war Ausschwitz ein deutsches Vernichtungslager. Aber zu wem gehört die Gedenkstätte? Wer organisiert das dortige Gedenken an den Holocaust? Es würde wohl dem Selbstverständnis der Polen widersprechen, wenn das Gedenken an die Greueltaten der Deutschen ausgerechnet von Deutschen organisiert würde. Es ist also bestimmt keine deutsche Gedenkstätte. Der Holocaust war nicht auf das Gebiet des heutigen Polens beschränkt - daher ist wohl die Einordnung in einen europäischen Rahmen sinnvoll.

    So bleibt Ausschwitz eine polnische Gedenkstätte an ein deutsches Vernichtungslager im Rahmen des europäischen Gedenkens an den Holocaust.

    Ihnen polnische Internetdomänen zu verweigern erscheint mir da unpassend.

  • B
    Ben

    Klar, die KZs waren polnisch und dann noch der Überfall auf Radio Gleiwitz...

     

    Ist doch in Ordnung, richtigzustellen, von wem aus der Nationalsozialismus mit allen seinen Taten ausging, von Deutschland und den Deutschen!!!

     

    Polen muss bis Holland reichen, Deutschland von der Karte streichen!!!

  • DP
    Daniel Preissler

    @morgenthau

    natürlich gibt es diesen Unterschied.

    Es gibt jedoch keine so klare Grenze zwischen beiden Kategorien (nicht Gruppen!), wenn man von dieser Zeit spricht. Das Teil-Ganzes-Verhältnis zwischen beiden Gruppen (!) sollte klar sein.

    Deine Einteilung dient lediglich zur Entlarvung ganz bestimmter Texte, in denen die von dir interpretierten Bedeutungen dem Leser untergejubelt werden sollen. Sie ist aber nicht generell richtig!

    Du wirst feststellen, dass du - je nach Kontext - diese Begriffe auch unterschiedlich verwendest. Synonym sind sie allerdings nicht!

    Grüße, DP

  • M
    morgenthau

    es gibt den vermeintlichen unterschied zwischen DEN nazis (als kleine führerclique) und DEN deutschen (als unschuldiges, verführtes volk) de facto nicht.

    die deutsche volksgemeinschaft hat den holocaust ermöglicht und nicht ein paar wenige im verborgenen agierende nazis!

  • P
    Polnischer-Deutscher

    EDIT:

    Außerdem ist die Überschrift falsch. Es geht nicht darum den Internetseite die deutsche Endung ".de" zu verpassen, sondern ein neutraleres wie ".eu" oder ".org".

  • P
    Polnischer-Deutscher

    Wissenschaftlich und historisch ist diese von der polnischen Regierung verlangte Genauigkeit auch völlig richtig. Die Konzentrationslager wurden nicht nur von den deutschen Besatzern errichtet und betrieben, in ihnen wurde auch Polen gefangen gehalten und ermordet. Polen damit unterschwellig eine Beteiligung am Holocaust an den Juden (sowie Sinti und Romas)zu unterstellen ist schlicht weg eine Unverschämtheit. Da wehrt sich die polnische Regierung völlig zu Recht! Es sind ja auch keien keine "deutschen" Lager, sondern "nationalsozialistische" Konzentrationslager.

     

    Andererseits unterhielt auch das kommunistische Nachkriegspolen ebenfalls brutale Internierungslager für Deutsche und vermeintliche Kollaborateure. Weitgehend vergessen ist auch das Gefängnis Bereza Kartuska für politische Gegner im Vorkriegspolen sowie die Zustände in den Kriegsgefangenenlager für die Soldaten der Roten Armee während des polnisch-russischen Krieges. Von polnischen Historikern bereits weitgehend aufgearbeitet, aber noch nicht zur Gänze in der Gesellschaft und den Staatsorganen im Sinne einer Aufarbeitung zur Kenntnis genommen.