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KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Wo sind wir denn hier gelandet? Wie in einem der großen Möbelhäuser am Stadtrand sind in der Galerie Wedding Sofas, Schrankwände, Couchtische und Vitrinen zu Sitznischen gruppiert. Ein wilder Mix aus VEB-Möbeln, bunt gemusterten Stücken und irrem Nippes aus den 90ern. Dazwischen, mehr oder weniger versteckt: SS-Aschenbecher, mit Parolen bedruckte Sofakissen und Wandtattoos völkischen Inhalts. Aufgebaut hat das Möbel-Objekt-Ensemble Henrike Naumann.Die Berliner Künstlerin und Szenografin stammt aus Zwickau, hat dort als Kind erst die Wende, dann das Aufkommen der Neonaziszene miterlebt. Ihre Videos, Audioarbeiten und nachgebaute Zimmer widmen sich den Zusammenhängen zwischen Jugendkulturen und Extremismus. In einem Fake-Homevideo lässt sie Schauspieler als jugendliche Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Plattenbausiedlung randalieren. Eine Audioarbeit dröselt die Rekrutierungsmaschen des Kreuzberger Ex-Gangsterappers und späteren Dschihadisten Deso Dogg auf. Eine verstörende, kluge und unbedingt sehenswerte Schau (bis 14. 5., Müllerstr. 146/7, Di.– Sa. 12–19 Uhr; 16. 4., 19 Uhr: „Museum of Trance“).

Sebastian Stumpf fotografiert sich mit Selbstauslöser oder nimmt Videos von sich auf. Anfangs stürzte er sich dafür von Brücken oder stellte sich in Häuserlücken. Auch seine jüngsten Arbeiten – zu sehen in der Galerie Thomas Fischer – irritieren, wirken fast wie montiert, sind jedoch das Ergebnis präziser Körperarbeit. In der Fotoserie „Zenit“, aufgenommen an der menschenleeren portugiesischen Küste, scheint er auf der Meeresoberfläche zu stehen; die Videoprojektion „Ozean“ zeigt ihn, wie er von Felsen ins Meer springt und von diesem scheinbar verschluckt wird. Es sind absurde Gesten, die an die Slapstick-Einlagen aus Stummfilmen erinnerten, wären sie nicht so reduziert (bis 4. 6., Potsdamer Str. Str. 77–87, Haus H, Di.–Sa. 11–18 Uhr).

Inea Gukema-Augstein arbeitet ebenfalls fotografisch. Ihr liebstes Modell: Lebenspartnerin Maria Sabine, älteste Tochter Rudolf Augsteins und Trans*Aktivistin. Maria Sabine, cool mit Sonnenbrille, kämpferisch mit Hörnern, schlafend im Gras. Die Ausstellung bei Heit zeigt Auszüge aus dem Werk Gukema-Augsteins von den 80ern bis heute. Zu den Fotografien gesellen sich Objekte in archaischen Formen, Kreise, Ringe, Punkte. „Amazing Steinzeit“ schafft den thematischen Bogen von 10.000 Jahre alten Kultstätten zum pinkfarbenen Porsche der Künstlerin, allesamt Symbole einer Auseinandersetzung mit dem Frausein (bis 1. 5., Eichendorffstr. 5, Sa. 12–18 Uhr und nach Vereinbarung).

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