KOMMENTAR PROZESS VERENA BECKER: Viel Lärm um nichts
Das frühere RAF-Mitglied Verena Becker kündigte spektakulär an, sich erstmals umfassend vor Gericht äußern zu wollen. Daraus wurde leider nichts.
E s bleibt merkwürdig. 18 Monate schweigt die Angeklagte, um dann nur zu sagen, dass sie sich zur Tatzeit gar nicht in Deutschland aufgehalten hat. Selbstverständlich ist es das Recht aller Angeklagten, selber zu bestimmen, ob, wann und wie sie gegen die erhobene Anklage Stellung beziehen möchten. Doch wer wie Verena Becker so spektakulär ankündigt, sich erstmals vor Gericht umfassend äußern zu wollen, sollte etwas mehr liefern.
Nicht dabei gewesen, nicht geschossen und auch nicht an der Planung beteiligt – was hat Verena Becker eigentlich daran gehindert, schon zu Beginn des Prozesses die Anklage zurückzuweisen? Merkwürdig ist aber auch das Gerichtsverfahren an sich. Die eigentlich Beschuldigte in dem Stuttgarter Prozess ist weniger das frühere RAF-Mitglied Becker. Es ist vielmehr die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Ihr wird vom Nebenankläger Michael Buback vorgeworfen, die wahren Vorgänge bei der Ermordung seines Vaters Siegfried Buback bis heute zu vertuschen. Und so die Mörderin auch heute noch einer Bestrafung zu entziehen, weil sie womöglich als Spitzel für die Strafverfolger tätig wurde.
ist seit 1989 taz-Redakteur und beschäftigt sich mit den Themen Innere Sicherheit und Terrorismus.
Beweisen kann Michael Buback seine These nicht, und zu diesem Vorwurf – Zufall oder nicht – äußert sich die Angeklagte nicht. Feststeht nun: Der Prozess gegen Becker wird zur Klärung der genauen Tatumstände vor nunmehr 35 Jahren nicht beitragen. Und selbst wenn Verena Becker wegen Mittäterschaft verurteilt werden sollte, Michael Buback wird auch dann nicht wissen, wer seinen Vater erschossen hat. Das war allerdings schon zum Zeitpunkt der Anklageerhebung vor eineinhalb Jahren abzusehen.
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