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KOMMENTAR MERKEL VS NEUE RECHTSPARTEIDer Kompass der Kanzlerin

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Merkel verteidigt die bundesdeutsche Staatsräson. Genau das kann und muss man von einer Bundeskanzlerin, egal welcher Partei, erwarten.

A ngela Merkel, klagen Rechte in der Union, lässt das Konservative in der Partei verkommen. Der zu Helmut Kohls Zeiten offenbar in leuchtenden Farben blühende weltanschauliche Garten ist demnach unter Merkel zu einer trostlosen Monokultur verkommen. Deshalb erhebt sich am rechten Rand der Union mächtiges Gemurmel. Und stets wird dann mit einer neuen Rechtspartei gedroht, die die gerechte Strafe für Merkels Meinungsdiktatur sein wird.

Die Debatte über die Rechtspartei hat indes keine Grundlage. Es gibt weder Figuren, die diese Partei glaubhaft repräsentieren könnten, noch, und das ist wichtiger, ein Thema, aus dem sie Schwung und Identität beziehen könnte. Das Gemurre mag anschwellen - aber es bleibt diffus. Manche Konservative wollen mehr Familienwerte und mehr Nähe zu den Kirchen, (die stetig leerer werden), andere noch längere Laufzeiten für AKWs (die sowieso unpopulär sind), wieder andere populistische Töne in der Migrationspolitik.

Vor allem aber ist die Kritik an Merkels politischen Interventionen vorgestrig. Merkel hat den Rauswurf von Martin Hohmann unterstützt, der die Juden im Konjunktiv Tätervolk nannte. Sie hat, was ihr rechte Unionspolitiker krummnahmen, den (deutschen) Papst kritisiert, der sich nicht von einem Holocaust-Leugner distanzieren wollte. Sie hat Thilo Sarrazin kritisiert, der meinte, seine kruden Ideen mit Thesen über ein Juden-Gen stützen zu müssen. Und nun ganz sanft Erika Steinbach, die glaubt, sich in der Frage nach Hitlers Kriegsschuld ein Hintertürchen offenhalten zu können.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Merkels Interventionen folgen einem präzisen inneren Kompass. Sie richten sich gegen Relativierungen deutscher Schuld, mögen sie kokett oder ernst gemeint sein. Sie verteidigt die bundesdeutsche Staatsräson. Genau das kann und muss man von einer Bundeskanzlerin, egal welcher Partei, erwarten. Dass Konservative in der Union damit 2010 ein Problem haben, zeigt ihre Schwäche, nicht ihre Macht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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4 Kommentare

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  • A
    Amos

    Die CDU ist doch wohl rechts genug-, sonst wäre sie sicher nicht mit der FDP in Koalition gegangen.

  • T
    tazitus

    Als liberal-konservativer Soze mit grünen Wurzeln bin ich der Meinung, dass eine Einheits- Volkspartei doch genügen muss. Frau Merkel hat da offensichtlich Erfahrungen.

  • LG
    Lothar Georg

    Wurde mal Zeit, dass in dieser Zeitung die Kanzlerin gelobt wird. Gleichwohl ist die Kritik an ihr berechtigt, denn die Konservativen in der Union, zu denen ich mich auch zähle, verloren deshalb an Gewicht, weil Angela Merkel deren Leitfiguren aussortierte: Merz, Oettinger, Koch, Wulf usw. usf.

    Genau so geht politische Macht! So bleibt man an der Macht. Sie bleibt Kohls Mädchen.

     

    Dass die taz mal das System Kohl lobt, hätte ich nie für möglich gehalten!

  • GZ
    Graf Zahl

    Woher nimmt der Autor angesichts der breiten Zustimmung für die Thesen eines Thilo Sarrazin seinen Optimismus, eine mögliche Rechtspartei hätte kein "Thema, aus dem sie Schwung und Identität beziehen könnte"? Mir scheint eher, soviel Schwung und Identität auf der Rechten war selten wie beim großen heuchlerischen "Endlich-mal-sagen-dürfen" und "Sich-um-Deutschland-sorgen" der letzten Wochen.

     

     

    Appelle an Ressentiments gegen (muslimische) Migranten und

    und zur "Abwehr des Untergangs des Abendlands" erschließen in Deutschland - wie in vielen Nachbarländern - bis zu 20% Wählerpotenzial. Ob dabei biologistische oder kulturalistische Parolen im Vordergrund stehen, ist unerheblich, da deren Erfolg ohnehin nicht auf rationaler Argumentation sondern auf dem Bedienen bereits bestehender diffuser Angst- und Verunsicherungsgefühle beruht.

     

    Egal ob Ethnodarwinismus oder Diffamierung des Islam - für beides werden sich sowohl Frontleute als auch Massenbasis finden lassen, wahrscheinlich eher früher als später.

    Dann wird sich die Frage stellen, ob die anderen Parteien genug Rückgrat haben, sich dem Rechtspopulismus noch geschlossen und konsequent entgegenzustellen. Ich habe da so meine Zweifel.