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KOLUMBIEN: FÜR PRÄSIDENT URIBE KAMEN DIE ANSCHLÄGE WIE GERUFENBombenstart für harte Hand

Vier Tage nach seiner Vereidigung hat Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe Vélez das schärfste Instrument angewandt, das ihm die Verfassung gibt: Er hat den Ausnahmezustand verhängt. De facto herrscht dieser Zustand in Kolumbien schon länger: Mehr als die Hälfte des Staatsgebiets wird von der linken Farc-Guerilla oder rechten Paramilitärs kontrolliert; über zwei Millionen Kolumbianer wurden in den letzten Jahren gewaltsam vertrieben. Uribe wurde gewählt, weil er nach dem Scheitern der halbherzigen Friedenspolitik seines Vorgängers eine Politik der Stärke gegen die Guerilla angekündigt hatte. Im Wahlkampf sprach er von einer Verdopplung der Armee und gewaltigen Rüstungsanstrengungen. Das zog: Zum Amtsantritt konnte sich der neue Präsident großer Popularität – bei 77 Prozent der Befragten – erfreuen.

Doch auch in Kolumbien nimmt die Begeisterung von Bevölkerung und Wirtschaft ab, wenn sich der Zahltag nähert. So wird die „Kriegssteuer“, mit der der neue Präsident sein Aufrüstungsprogramm finanzieren will, schon bald auf Widerstand stoßen. Die kolumbianischen Parteien vertreten – bei aller Einigkeit gegen die Farc – in erster Linie die Interessen ihrer jeweiligen Klientel. Sobald diese von den präsidialen Plänen belastet wird, werden sie sich quer legen – und eine Umsetzung von Uribes Politik zumindest verzögern.

In dieser Situation kam der Sprengstoffanschlag während Uribes Vereidigungszeremonie, bei dem in unmittelbarer Nähe des Präsidentenpalastes 21 Menschen getötet wurden, zumindest nicht ungelegen. Bereits jetzt nutzen die Paramilitärs die Gunst der Stunde, um den Farc-Einfluss in den Armenvierteln von Medellín zu brechen. Mehr als hundert Tote wurden bisher von dort gemeldet. Die Paramilitärs sehen Uribe als ihren Schirmherrn an, seit er sich als Gouverneur der Provinz Antioquia für die Bildung von Selbstverteidigungsverbänden eingesetzt hatte. Der Verdacht, dass die nordirische IRA die kolumbianische Farc logistisch unterstützt haben könnte, rückt die Guerilla zudem in den Dunstkreis des internationalen Terrorismus. Das soll dazu beitragen, auch drastische Maßnahmen außenpolitisch zu rechtfertigen.

Der Ausnahmezustand gilt zunächst für 90 Tage. Er kann bis auf neun Monate ausgedehnt werden. Während dieser Zeit darf der Präsident neben einer Einschränkung der Bürgerrechte auch fiskalpolitische Maßnahmen ergreifen – etwa zur Durchsetzung seiner Kriegssteuer. Darüber hinaus wird auch die Reform der Institutionen, die vor allem die Macht des Kongresses brechen soll, durch den Ausnahmezustand erleichtert. Ein Traumstart für einen Mann, der eine Politik der harten Hand versprochen hat. RALF LEONHARD

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