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KASCHMIR: INDIEN MUSS AUF TERROR REAGIEREN, OHNE ZU ESKALIERENZwischen Atombombe und Ratlosigkeit

Einen Terroranschlag der pakistanischen Islamistentruppe Laschkar e-Taiba auf das Parlament in Delhi kann Indien so wenig ignorieren wie die USA den Angriff auf World Trade Center und Pentagon. Denn hier wurden Orte gewählt, die Selbstverständnis und Macht des angegriffenen Staates symbolisieren. Mit dem Selbstmordattentat auf das indische Parlament hat sich daher der Guerillakampf verändert, der seit 1989 in Kaschmir tobt.

Viele Inder befürworten deshalb einen Militärangriff, um die Basen der islamistischen Gruppen in Pakistan zu zerstören – ganz nach dem Motto: Was den USA bei Bin Laden recht ist, kann auch Indien nur billig sein. Doch der Vergleich mit den USA und Afghanistan hinkt; und dies nicht zuletzt, weil ein Angriff auf pakistanisches Territorium zum Atomkrieg führen könnte.

Dass die indische Regierung ihre Reaktion noch offen lässt, deutet zum einen darauf hin, dass sie sich bisher nicht entschieden hat. Zum anderen ist es auch der Versuch, zunächst den politischen Druck auf Pakistan zu erhöhen. Und dies kontrolliert. Dem Nachbarn soll konstruktives Handeln möglich bleiben und Pakistans Präsident Muscharraf die Gelegenheit behalten, das Problem der islamistischen Gruppen innenpolitisch zu lösen.

Zudem sind relativ risikolose militärische Optionen nicht in Sicht. Dies war beim letzten Zusammenstoß 1999 noch anders, als von Pakistan unterstützte Kämpfer wichtige Berggipfel im indischen Teil Kaschmirs besetzt hatten. Damals siegte Indiens Regierung: Innenpolitisch, indem sie durch einen Militäreinsatz die Bevölkerung hinter sich vereinigte und die Opposition schwächte. Außenpolitisch, indem sie auf einen Beschuss der islamistischen Basen in Pakistan verzichtete und die Berggipfel nur vom eigenen Territorium aus zurückerorberte – obwohl dies verlustreich war. Die so reduzierte Eskalationsgefahr wurde international honoriert: Pakistan war hinterher noch isolierter.

Eine solche begrenzte militärische Option ist jetzt jedoch nicht in Sicht. Delhi kann vielmehr nur hoffen, dass allein internationaler Druck Pakistan zum Nachgeben zwingt. Doch letztlich wird auch Indien Zugeständnisse machen müssen, um den Kaschmir-Konflikt zu lösen. SVEN HANSEN

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