KANZLER SCHRÖDER WILL DEUTSCHLAND ONLINE BRINGEN: Staat machen mit dem Internet
Bill Clinton hält solche Reden alle paar Jahre, jetzt hat auch Kanzler Schröder zum kollektiven Einstieg ins Internet aufgerufen. Die Modernisierung von Staat und Gesellschaft ist endgültig zur Chefsache geworden.
Dabei nimmt Schröder jetzt die Lorbeeren entgegen, die Arbeit haben aber andere. So ist die Internet-Ausstattung der Schulen Sache der Länder. Gelingt sie nicht bis zum nächsten Jahr, liegt der Schwarze Peter bei den Ministerpräsidenten, nicht bei Schröder. Geschickt eingefädelt. Bei einer anderen Ankündigung, für die auch der Bund einstehen muss, ist Schröders Zeitplan großzügiger. Erst bis 2005 sollen alle Dienstleistungen der Bundesverwaltung auch online abzuwickeln sein. Ob der Bund damit Länder und Gemeinden tatsächlich in Zugzwang bringt? Vermutlich wird man vielerorts schon deutlich schneller am Ziel sein. Dennoch gilt gerade diese Ankündigung noch als ehrgeiziges Vorhaben. Und Otto Schily, der für das „electronic government“-Programm der Bundesregierung zuständig ist, hat dem Kanzler gern die öffentliche Präsentation überlassen. Im Innenministerium rechnet man nämlich damit, dass die Verkündung des Reformprogramms „von oben“ rund ein Jahr Zeitgewinn erbringt gegenüber dem Versuch, sich unter den Berliner Ministerien zu einigen.
Das aber zeigt, dass die Modernisierung der Verwaltung nicht nur eine Frage der Online-Fähigkeit ist. Eher ist das Internet ein Katalysator der Verwaltungsreform. Wer ineffiziente Strukturen ins Internet-Zeitalter retten will, macht sich so lächerlich wie der Heizer auf der E-Lok. Doch Effizienz ist nicht alles. Gerne hätte man bei Schröders Rede auch etwas über die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten des „e-government“ gehört. Immerhin wird die Möglichkeit, neue Gesetzesvorhaben schon im Frühstadium online zur Diskussion zu stellen, von dieser Bundesregierung durchaus genutzt. Zudem könnten künftig individuelle „Akten“-Einsichts-Wünsche ebenfalls online abgewickelt werden. Doch so etwas ist auch bei Rot-Grün weiter Zukunftsmusik. Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Gesetz über „Informationszugangsrechte“ lässt auf sich warten. Schröders und Schilys Prioritäten liegen anderswo. CHRISTIAN RATH
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