: K O M M E N T A R Überwachungsstaat und Postmonopol
■ Staatsanwalt macht Post zum Erfüllungsgehilfen
Sicher geschützt sollen die bei der Volkszählung erhobenen Daten sein - wenn die beteiligten Behörden sich an geltendes Recht halten. Die jüngsten Erfahrungen der Berliner mit den Ermittlungsbehörden, aber auch mit der Post, bestätigen die Vermutung, daß der Datenschutz das Papier nicht wert ist, auf dem das Volkszählungsgesetz geschrieben steht. Ein Richter wägt den Quellenschutz einer Zeitung (Art. 5 Grundgesetz), das Postgeheimnis, das eine Partei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, Betriebsgeheimnisse und die Privatsphäre der Bürger schützt, gegen das Interesse des Staates an der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ab und läßt per Formblatt deren Post beschlagnahmen. Die Post, die keineswegs Teil der Strafverfolgungsbehörden ist und auch nicht sein darf, läßt sich von der Staatsanwaltschaft anweisen, die Betroffenen zu belügen, wenn diese nachfragen, wo ihre Post bleibt. Sie sortiert, wiederum außerhalb ihres Aufgabenbereiches, die Post aus und übersendet sie der Staatsanwaltschaft. Ergebnis: Der Staat ist in der Lage, ein riesiges Netzwerk von Firmen, Institutionen und Bürgern nachzuzeichnen, die im Verdacht stehen, an einer Aktion zivilen Ungehorsams, am Volkszählungsboykott beteiligt zu sein. Vor Jahren befürchteten die Gegner einer forcierten Verkabelung, daß damit die Kommunikation zwischen den Bürgern leichtfertig staatlicher Ausforschung preisgegeben würde. Heute sehen wir: Auch die Briefpost ist vor massenhafter Ausforschung nicht sicher. Staatlicher Zugriff auf ein riesiges Netzwerk also mit der Post als willfährigem Büttel. Wirksamer Bürgerschutz gegen staatliche Ausforschung heißt deshalb: Zerschlagung des Postmonopoles. Gesetzliches Verbot der Postbeschlagnahme. Jony Eisenberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen