Justizstreit mit Böhmermann: Rassismus oder Performance?
Das Landgericht Hamburg verhandelte über Erdoğans Unterlassungsklage gegen Böhmermanns Gedicht. Die Entscheidung wurde vertagt.
Böhmermann hatte das Gedicht Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen. Dort heißt es unter anderem, dass Erdoğan „Ziegen fickt“ und „Kinderpornos schaut“. Die schlimmsten Aussagen hatte das Landgericht Hamburg bereits im Mai per einstweiliger Verfügung verboten. Unbeanstandet blieben dagegen Passagen, die Erdoğans Umgang mit Minderheiten satirisch kritisieren. Nun verhandelte das Landgericht über Erdoğans Klage in der Hauptsache.
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz griff das Gericht dabei scharf an. Es sei „absurd“, einzelne Sätze aus einer „Gesamtperformance“ herauszugreifen. „Bei einer künstlerischen Inszenierung auf einer Theaterbühne hätten Sie das nicht gewagt“, sagte Schertz zur Richterbank gewandt. In Böhmermanns Gedicht habe nicht die Beschimpfung im Vordergrund gestanden, sondern die Diskussion um die Meinungsfreiheit. „Das war ein juristisches Proseminar in satirischer Form“, so Schertz, „Böhmermann haut Erdoğan um die Ohren, wie die Meinungsfreiheit in Deutschland geschützt wird“, wo nur „sehr krasse“ Aussagen wie im vorgetragenen Schmähgedicht verboten seien.
Diese Diskussion um Meinungsfreiheit habe im Übrigen Erdoğan selbst ausgelöst, so Schertz, als er nach einer eher harmlosen NDR-Satiresendung den deutschen Botschafter in der Türkei einbestellte. Als potenziell ebenfalls Betroffener habe Böhmermann das „Recht zum Gegenschlag“. Im Übrigen komme es bei einer Unterlassungsklage auch auf die aktuelle Lage in der Türkei an. „Wer Journalisten verhaftet und kritische Zeitungen schließt, hat die schärfstem Reaktionen ever verdient.“
Erdoğans Anwalt Michael von Sprenger wies dies zurück. Das Gedicht Böhmermanns habe die Menschenwürde des türkischen Präsidenten verletzt. „Wenn die Menschenwürde verletzt ist, ist keine Abwägung mehr möglich, auch nicht mit der Kunstfreiheit“, so von Sprenger. Erdoğan sei „als Prototyp des verlausten stinkenden Türken“ gezeigt worden, das sei schlicht rassistisch und sicher nicht nötig gewesen, um die Meinungsfreiheit zu erläutern. Erdoğans Anwalt räumte aber ein: „Dass es die Kurden nicht einfach haben in der Türkei, da ist Realität drin.“ Wenn es um ein Verbot politischer Satire gegangen wäre, hätte er das Mandat nicht übernommen.
Die Vorsitzende Richterin Simone Käfer ließ nicht erkennen, dass das Gericht von seiner Haltung im Mai abweichen will. Sie versprach aber eine gründliche Beratung. Das Urteil soll erst am 10. Februar verkündet werden. Im Fall einer erneuten Niederlage will Schertz mit Böhmermann durch die Instanzen gehen.
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