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Justizministerin über Handelsabkommen"ACTA ändert nichts"

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat Kritik am Handelsabkommen ACTA zurückgewiesen. Es führe zu keiner veränderten Rechtslage. Kritiker rufen zur Demonstration auf.

Angst vor Urheberrechtsverschärfungen: Protest gegen die ACTA-Unterzeichnung in Brüssel. Bild: reuters

HAMBURG dpa | Die Bundesregierung hat die Kritik von Gegnern des Handelsabkommens ACTA zurückgewiesen, die eine Einschränkung von Freiheitsrechten befürchten. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte am Dienstagabend in Hamburg, sie teile diese Bedenken nicht. Aus dem Abkommen lasse sich keine Aufforderung zur Veränderung der geltenden Rechtslage ableiten, in welche Richtung auch immer.

"Deshalb sehen wir es auch nicht so kritisch, wie es einige Initiativen sehen", sagte die Ministerin. "Es enthält nicht die Möglichkeit, zum Beispiel Internetsperren oder Zugangsperren einzuführen." Auch bei der Auslegung des Patentschutzes gelte weiter der in der EU gültige Standard.

Das Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen (ACTA, Anti-Counterfeiting Trade Agreement) wurde am Donnerstag vergangener Woche von der EU und 22 EU-Staaten unterzeichnet. Die Unterschrift von Deutschland steht noch aus, soll aber nach Angaben des Bundesjustizministeriums demnächst nachgeholt werden. Nach der Unterzeichnung muss das Abkommen noch vom Europaparlament und den nationalen Parlamenten gebilligt werden.

Das nach Initiative der USA und Japans in mehrjährigen Verhandlungen 2011 fertiggestellte Abkommen sieht unter anderem vor, dass Internet-Anbieter für Urheberrechtsverletzungen von Kunden haftbar gemacht werden können. Kritiker sehen daher ACTA in einer Reihe mit Bestrebungen zur Verschärfung des Urheberrechts.

Die Piratenpartei kritisierte die Äußerungen Leutheusser-Schnarrenbergers. "Wenn die FDP weiterhin glaubhaft für Bürgerrechte eintreten will, muss diese Haltung dringend überdacht und revidiert werden", erklärte der Pressesprecher der Partei, Christopher Lang. Es dränge sich sonst der Eindruck auf, dass die Verteidigung von Freiheitsrechten zugunsten von Lobby-Interessen aufgegeben werde. Zusammen mit anderen Initiativen ruft die Piratenpartei für den 11. Februar zu Demonstrationen gegen ACTA auf.

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9 Kommentare

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  • TA
    T. aus B.

    Ich möchte an dieser Stelle nur mal darauf hinweisen, wie die deutschen Befürworter von ACTA argumentieren: "An der deutschen Rechtslage wird sich durch das Acta-Abkommen überhaupt nichts ändern. Insbesondere werde es keine irgendwie gearteten Netzsperren geben." (http://www.zeit.de/digital/internet/2012-01/internet-produktpiraterie-urheberrecht)

    Dazu ist zu sagen, dass das europäische Recht über dem deutschen steht ... sogar über dem Grundgesetz. Dies bedeutet, dass etwaige Bestimmungen des Europäischen Parlamentes, oder daraus folgende Gesetze, zwingend für die deutsche Regierung, bzw. Gesetzgebung sind!

     

    Wenn das keine Augenwischerei, bzw. Unwissenheit ist ...

  • E
    Edelweiß

    Wie schon zuvor beim Bankdatenabkommen-SWIFT fällt die selbsternannte Freiheitsstatue um.

  • R
    RüdigerVonSchlotterstein

    Unglaublich!!! Mit Acta wird das "freie" Internet abgeschafft!!

    https://secure.avaaz.org/de/eu_save_the_internet_spread

    Petition unterzeichnen!

  • L
    LennStar

    Wenn ein Politiker so deutlich wird, dann ist das Ding noch schlimmer als befürchtet.

     

    https://www.laquadrature.net/wiki/ACTA_rapporteur_denounces_ACTA_masquerade#Deutsche_Version_.28GER.2FAUT.29

     

    Kader Arif, Berichterstatter für ACTA im Europäischen Parlament, ist von seinem Amt mit folgenden Worten zurückgetreten:

     

    „Ich möchte den gesamten Vorgang, der zur Unterzeichnung dieses Abkommens geführt hat, auf das Schärfste anprangern: Keine Einbindung einer Nicht-Regierungs-Organisation; mangelnde Transparenz von Anbeginn der Verhandlungen an; wiederholte Verschiebungen der Unterzeichnung des Abkommens, ohne dass je eine Erklärung dafür abgegeben wurde; das Ignorieren der Forderungen des Europäischen Parlaments trotz mehrerer Beschlüsse unserer Versammlung.“

     

    „Als Berichterstatter dieses Textes habe ich noch nie solche Manöver des rechten Flügel dieses Parlamentes beobachtet: Mit einem beschleunigten Vorgang wurde das Abkommen verabschiedet, bevor die Öffentlichkeit alarmiert werden konnte. Dadurch wurde dem Europäischen Parlament die Rechte genommen, seine Meinung auszudrücken und, die berechtigten Forderungen der Bürger und Bürgerinnen als Argument vorzubringen.“

     

    „Jeder weiß, dass ACTA Probleme mit sich bringt: [ACTA] wirkt sich auf die Freiheit der Zivilgesellschaft aus, auf die Verantwortlichkeit von Internet- Anbietern, auf die Herstellung von generischen Medikamenten (Generika) und auf den Schutz unserer geografischen Daten.“

     

    „Dieses Abkommen kann schwerwiegende Konsequenzen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger haben und trotzdem wird alles unternommen, um das Mitspracherecht des Parlaments zu unterwandern. Heute, als Verantwortlicher für diesen veröffentlichten Bericht, wünsche ich daher ein Zeichen zu setzen und alarmiere hiermit die Öffentlichkeit über diese inakzeptable Situation. Ich werde nicht an dieser Maskerade teilnehmen.“

  • J
    Jörn

    ACTA schreibt vor, dass die Umgehung von wirksamen Kopierschutzmassnahmen sowie der Verkauf entsprechender Werkeuge unter Strafe gestellt wird. Diese Regelung gibt es im deutschen Recht bereits - Computerprogramme sind davon jedoch ausgenommen (§ 69a UrhG). Eine solche Ausnahme kennt ACTA nicht. ACTA nimmt zwar auch per Gesetz erlaubte Kopiervorgänge vom Verbot aus - allerdings ist der Vertrieb von Kopierprogrammen für Computersoftware in Deutschland generell erlaubt und nicht nur für die Fälle, wo auf Grund der Notwendigkeit einer Sicherungskopie ein explizite gesetzliche Erlaubnis zum Kopieren besteht. Diese Differenzierung erscheint minimal - ist sie aber nicht:

    Wenn eine Software in der Praxis zu 90% zum illegalen Kopieren von Computersoftware und nur in 10% zum Erstellen von legalen Sicherheitskopien verwendet wird, ist sie künftig nach ACTA zu verbieten - nach deutschem Recht bleibt sie erlaubt - unabhängig davon wofür sie von den Nutzern eingesetzt wird.

    Mit ACTA verpflichtet sich der Bundestag Programme zum Kopieren kopiergeschützter Software zu verbieten.

     

    Dies ist nur ein Punkt, in dem ACTA die Daumenschrauben weiter anzieht. Darüber hinaus ist mit ACTA ein Prozess der Weiterentwicklung des Abkommens vorgesehen, mit dem schrittweise die Regelungen verschärft werden sollen.

  • W
    wolfi

    nach der Wiener Konvention von 1969, die auch von Deutschland unterschrieben wurde heißt es:

    "Art. 27

    Innerstaatliches Recht und Einhaltung von Verträgen

    Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die

    Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen. Diese Bestimmung lässt Artikel 46

    unberührt."

     

    Nach Artikel 32 können wenn die Bedeutung einzelner Punkte aus dem Vertragstext nicht ersichtlich sind, Dokumente hinzugezogen werden, die zum Vertragstext führten. Unglücklicherweise sind diese Dokumente noch nicht veröffentlicht.

    (Wiener Konvention, siehe http://www.admin.ch/ch/d/sr/c0_111.html)

     

    Ich bin schon gespannt was Sie auf abgeordnetenwatch.de zu der Wiener Konvention zu sagen hat.

  • KM
    Karl-Heinz Müller

    Na dann ist ja alles gut. Wenn sich nichts ändert, können wir ja auch auf ACTA verzichten. Ich frage mich nur, warum hochbezahlte Spezialisten monatelang Spesen verursachen und Stunden verbrennen? Um ein Dokument zu erzeugen, dass nichts ändert?

    Wers glaubt wird selig.

  • F
    Fassungslos

    Bitte?

    Madame Leutheuser-S.: entweder kennen sie selbst den inhalt dieses gesetzes nicht wirklich, oder sie verstehen - wie ja viele - die funktionsweise des internets nicht!

    Allein auch die Entstehensweise dieses "Kooperationsgesetzes" ist doch undemokratisch as hell!

    Das sich zudem hier ein nicht-legitimiertes gremium bildet, dass das gesetzt ändern (also erweitern) kann - wo sind wir denn bitte gelandet?

    Jede Bananenrepublik basiert da auf klareren Strukturen.

     

    Babe, mit uns nicht!

     

    Vielleicht sollte dich die community auch ein werbe und firmenfreies privates! eigenes Internet basteln. Dann können sich die Firmen allein gegenseitig bewerben - und in die gähnende Leere starren!

  • A
    arribert

    Damit stirbt dann auch die letzte Hoffnung der FDP noch ein paar Wählerstimmen zu bekommen...