Justizaffäre in der Ukraine: Richter unter Korruptionsverdacht
Mutmaßliche Bestechung erschüttert den Obersten Gerichtshof. Der Präsident wurde festgenommen, weitere Richter stehen unter Verdacht.

„Die Enthüllung, die wir gemacht haben, ist der sensationellste Fall in der Zeit der Tätigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP). Dies ist die größte Enthüllung eines hohen Justizbeamten“, kommentierte NABU-Direktor Semjon Krywonos die Verhaftung des Präsidenten des obersten Gerichtshofs.
Ihm zufolge erhielten die Antikorruptionsbehörden Informationen über die Aktivitäten einer kriminellen Gruppe, in die Richter und hohe Gerichtsbeamte verwickelt waren. Laut Krywonos haben seine Mitarbeiter*innen Kontakte des ukrainischen Unternehmers Kostjantyn Zhevaho mit Mittelsleuten von Richtern aufgezeichnet, die für eine Entscheidung zu Gunsten des Geschäftsmannes einen unzulässigen Vorteil erhalten sollten.
Der Fall betrifft einen 40-prozentigen Anteil an den Besitzverhältnissen der Bergbau- und Aufbereitungsanlage Ferrexpo in Poltawa, dem Hauptvermögen von Zhevaho. In seiner Entscheidung soll das Gericht diese Anteile Unternehmen überlassen haben, die mit dem Unternehmer verbunden sind, und die 20 Jahre alten Kauf- und Verkaufsverträge für ungültig erklärt haben.
Antikorruptionsbehörde ist stolz
Anfang Mai erhielt der Anwalt dieses Unternehmers, der auch an dem kriminellen Plan beteiligt war, von der Führung des Obersten Gerichtshofs offenbar Anweisungen, wie der unrechtmäßige Gewinn unter den Teilnehmer*innen der kriminellen Gruppe – den Richter*innen des Obersten Gerichtshofs – zu verteilen sei. Der erste Teil der Bestechung soll am 3. Mai an die Richter*innen gegangen sein und der zweite Teil am 15. Mai, als der Präsident des obersten Gerichtshofs verhaftet wurde.
Nach Angaben der spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft wusste man seit Anfang des Jahres von der Existenz dieser kriminellen Machenschaft und war damit beschäftigt, ihre Aktivitäten zu dokumentieren.
Die ukrainischen Antikorruptionsorgane sind stolz auf die Aufdeckung dieser kriminellen Aktivität, weil dadurch das bestehende System gestoppt worden sei. Laut ukrainischer Journalisten war ein verdeckter Ermittler an der Aufdeckung des Systems beteiligt.
Bislang wurde neben Wsewolod Knjasew, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, eine weitere Person in dem Fall festgenommen, und das Geld wurde beschlagnahmt. Der Verdacht gegen Knjasew wurde jedoch noch nicht zugestellt. Die SAP sagte, dass sie dieses Dokument noch vorbereiten und es spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung der Verdächtigen zustellen wird.
Die Überprüfung anderer Personen wegen ihrer Verstrickung in das kriminelle System geht weiter. Unter den ermittelten Verdächtigen sind 18 Richter*innen des obersten Gerichtshofs der Ukraine, die in den Fall Zhevaho verwickelt waren.
Nach ukrainischem Recht ist die Bestrafung für dieses Verbrechen eine Freiheitsstrafe von acht bis zwölf Jahren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?