Justiz in Frankreich: Gnadenlos bei Angriffen auf die Polizei
Sieben Angeklagte werden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Statt um Beweise ging es um Indizien und Verdachtsmomente.
Nach Ansicht der Pressekommentare war diese Attacke ein Mordversuch, der als solcher bestraft werden müsse. Die Anklage beim Prozess lautete dann aber auf schwere Körperverletzung und Aggression gegen Vertreter der Staatsmacht.
Einer der Angeklagten, Joachim L., gegen den in Abwesenheit verhandelt wurde, erhielt sieben Jahren Haft. Er soll einen Brandsatz ins Auto geworfen haben. Laut Gericht soll er sich heute in der Schweiz aufhalten.
Unter den übrigen Verurteilten befindet sich auch ein Enkel des Schriftstellers Georges Bernanos. Er ist ein bekanntes Mitglied der linksautonomen Szene. Ihn hatte ein anonymer Zeuge belastet. Bei diesem Zeugen „Nummer 142“ handelt es sich um einen Polizisten, der – wie dies die Prozessordnung erlaubt – aussagen konnte, ohne seinen Namen zu nennen.
Indizien und Verdachtsmomente
Auf den vorhandenen Videoaufnahmen sind die Angreifer vermummt. Die Identifikation beruht auf Indizien und Verdachtsmomenten, wie zum Beispiel „ähnliche Kleider“.
Für die Justiz und die Medien in Frankreich stand vor dem Urteil fest: Ein brutaler Angriff auf die Polizei der Republik muss mit größter Strenge bestraft werden. Wenn es um die Autorität der Staatsmacht geht, darf die Justiz nicht lange fackeln.
Da werden andere Prinzipien zweitrangig, namentlich: im Zweifel für den Angeklagten. In diesem Prozess war die Identität der Opfer wichtiger als die zweifelsfreie Identifizierung der Angreifer.
Der politische Charakter der Gerichtsverhandlung war deutlich. Denn dieser Angriff am Rande der Proteste gegen die Arbeitsrechtsreform unter Präsident François Hollande war 2016 ein Auslöser für Protestaktionen der Polizisten. Sie hatten lange ihren Ärger heruntergeschluckt. Wochenlang demonstrierten sie für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung.
In der Polizei wurde daher die Verhandlung mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. In ersten Kommentaren wird das Urteil als ungenügend kritisiert. Das stimmt in gewisser Hinsicht. Falls es sich eindeutig um einen Mordversuch handelte, müsste dieser strenger bestraft werden. Die Richter haben einen Mittelweg gesucht, sich jedoch mit ihrem Urteil dem Verdacht ausgesetzt, im Zweifel für die Polizei Partei ergriffen zu haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen