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Juso-Chef Vogt über die SPD"Bei Steuern ist die SPD zu zaghaft"

Hat die SPD ihren Linksruck geschafft? Juso-Chef Sascha Vogt über den Politikwechsel in der SPD, Steuerpolitik in der Finanzkrise und die Skepsis gegenüber Peer Steinbrück.

Sigmar Gabriel (r.) und Peer Steinbrück: Treiben sie nach rechts? Bild: dpa
Interview von Gordon Repinski

taz: Herr Vogt, die SPD wollte sich seit 2009 erneuern und linker werden. Ist das gelungen?

Sascha Vogt: Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Aber der Wille zum wirklichen Politik- statt einfach nur Machtwechsel muss deutlicher werden.

Wo fehlt es?

Im Interview: SASCHA VOGT

31, ist Politik- und Kommunikationswissenschaftler und seit 2010 Juso-Chef. Er wird zum linken Parteiflügel gezählt und bewirbt sich für den SPD-Bundesvorstand.

In den Bereichen Steuern und Soziales ist die SPD nach wie vor viel zu zaghaft. In der Gesundheitspolitik muss die Beitragsbemessungsgrenze erhöht werden, damit die Krankenkassen Brillen und Zahnersatz wieder zahlen können. Bei der Rente darf das Niveau nicht weiter sinken, wir müssen es mindestens stabil halten. Und wir müssen die Vorratsdatenspeicherung deutlich ablehnen.

Und in der Steuerpolitik?

Die Abgeltungssteuer muss weg und wir brauchen die Reichensteuer. Es kann kein Entweder-oder geben - das wäre für eine Partei, die es ernst meint mit dem Sozialen, zu wenig.

Die Parteispitze fürchtet die Symbolik, wenn bei einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent plus Reichensteuer die 50-Prozent-Grenze überschritten wird. Teilen Sie die Sorge nicht?

Nein. Die Parteispitze muss sich fragen, in welcher Zeit wir uns befinden. Wir erleben eine riesige Wirtschafts- und Finanzkrise. Es gibt ein großes Verständnis in der Bevölkerung dafür, dass die Wohlhabenden gerade jetzt ihren Beitrag leisten müssen und zur Finanzierung des Staates stärker beitragen. Wir müssen uns gerade jetzt trauen, symbolische Marken zu überschreiten.

Die Parteispitze marschiert gerade in der Troika Gabriel, Steinmeier und Steinbrück auf die Bundestagswahl zu. Was Sie vorschlagen, würde zumindest Steinbrück nicht mittragen.

Das Programm kommt vor dem Personal. Es eventuellen Vorlieben von Peer Steinbrück anzupassen wäre genau die falsche Entscheidung. Wir müssen demokratisch entscheiden, was wir als Partei wollen. Und nicht den Weg für irgendeine Person ebnen. Sonst könnten wir uns den ganzen Aufstand um die Parteireform auch sparen. Es wäre nur ein Lippenbekenntnis.

Treiben Steinbrück und Steinmeier Gabriel nach rechts?

Gabriel hat in der Steuerfrage zumindest eine andere Auffassung als wir. Nun muss der Parteitag entscheiden, welche Position sich durchsetzt. Ich habe in den vergangenen Wochen jedenfalls das Gefühl gehabt, dass es viel Zustimmung für linkere Positionen gibt. Wir werden dafür kämpfen, sie durchzusetzen.

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7 Kommentare

 / 
  • JK
    Juergen K.

    Ich finde es gut,

     

    dass die Reichen nur die Krise ihres Geldes, besser Ihrer Datenbankein- und erträge, sowie die Bildung für ihre Kinder bezahlen sollen.

     

    Für die Pensionen und Appanagen der Politiker , sowie für deren Autos der Panzerklasse, Häuser mit Sicherheitseinrichtungen, Bonzenkarossen die von deren Fahrern neben dem Hubschrauber herfahren

    und 200 000 Euro Flügen

     

    bezahlten vorher jetzige Hartzisten und Armutsrentner und jetzt Blöd-Billig-Malocher.

     

    Und auch weiter werden sich die 30 % Verarmten und die nächsten 30% in Zukunftsangst

     

    den Strompfennig für die energiehungrige Eliten-Produkt-Produktion in der Suppenküche vom Munde absparen.

     

    Ich find das gut.

     

    Schade, dass Schmidt nicht um eine Erhöhung der Tabaksteuer gebeten hat:

     

    Er will doch nichts mit ins Grab nehmen ?

     

    Und seine Fluppen habe ich bezahlt.

  • HH
    Hugo Haase

    Super Interview von Vogt, der SPD Dampf machen! Ich verstehe auch die ganze Polemik hier nicht. Ja, die SPD baut Mist, und zwar viel. Aber die Jusos sind immer noch ein wichtiger Motor, um die SPD nicht ganz abdriften zu lassen, sondern Raum für emanzipatorische Diskurse in der SPD zu belassen und neu zu schaffen. Vogt hat übrigens letzte Woche gefordert, "wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit für einen Systemwechsel". Also mal immer schön halblang mit Kritik an den Jusos, die machen wirklich noch sinnvolle Sachen und üben auch gut Druck auf die SPD aus.

  • A
    axel

    Bei der Absenkung des Spitzensteuersatzes um über 10% war die SPD seinerzeits im Verbund mit den Grünen aber nun gar nicht zaghaft und zimperlich.

    Das haben die Jusos, viele BügerInnen und Medien leider schon verdrängt oder unterschlagen es. Und zaghafte Korrekturen am Spitzensteuersatz nach oben sind eher kosmetischer Natur und dienen PR-Zwecken a la wie "sozial" die SPD doch sei.

  • JB
    Joseph B.

    Herr Vogt sollte lieber seinen Verband in Ordnung bringen. Offenkundig scheint es ja auch dort Demokratiedefizite zu geben, wenn ich mir solche Beiträge anschaue: http://www.youtube.com/watch?v=jpJ7QkaHSEA&feature=related

     

    Von dem hier ganz zu schweigen: http://www.youtube.com/watch?v=LgUggfkHUVE

  • F
    Freibetrag

    "Bei Steuern ist die SPD zu zaghaft".

     

    Genau! Lieber mit Vollgas ins Verderben!

     

    Wenn schon dann eine richtige Steuererhöhung.

     

    Die TAZ macht es richtig: Wenn man das Märchen von der positiven Steuererhöhung immer wieder erzählt, glauben es am Ende einige.

     

    Bitte auch weiter so und nicht mehr an den Erfolg der rot-grünen und dann schwarz-roten sowie auch schwarz-gelben Steuersenkungspolitik erinnern! Dass die Steuereinnahmen auf Rekordhoch sind und die Wirtschaft gut läuft hat ja schließlich Linke noch nie interessiert und v.a. das Argument der guten Wirtschaftslage ist für Linke ja eher negativ.

     

    Also: Steuern rauf und Deutschland runter!

  • B
    Branko

    Ich pack mir mitlerweile nur noch an den Kopf.

    Nun wird die SPD mit aller Macht in eine mögliche Alternative zur CDU positioniert.

    Ich fass mal zusammen:

     

    Schmidt hat man abgeschossen, weil sich alle einig waren:"Wenn das so weitergeht, geht das böse aus."

     

    Dann kam Kohl und es wurde schlimmer.

     

    Kohl hat man dann abgewählt, weil man die unsäglichen Lügereien und Korruptionsaffären dann doch irgendwann mal leid war, und sich alle einig waren:"Das kann so nicht weitergehen. Das ist ja noch schlimmer, als unter Schmidt."

     

    Dann kam Schröder und es wurde noch schlimmer.

     

    Und alle waren sich einig:"Das kann so nicht weitergehen. Das ist ja noch viel schlimmer als unter Kohl."

     

    Dann durften beide zusammen ran, und es wurde noch viel, viel schlimmer.

     

    Und alle waren sich einig:"Das kann so nicht weitergehen. Das ist noch schlimmer als unter Schröder."

     

    Dann kam Merkel, und es wurde extrem schlimm.

     

    Und alle sind sich einig:"Das kann so nicht weitergehen. Das ist ja nicht zum aushalten."

     

    Und nun wird Steinbrück von der Zeit als Neukanzler geadelt, und alle Zeichen stehen auf SPD.

    Hurra! Und die taz macht mit.

     

    Was wird eine SPD Regierung wohl bringen?

    Erhöhung der Staatsverschuldung?

    Die Abschaffung des Arbeitslosengeldes total?

    Die offiziell staatliche Subventionierung von Hedgefonds und Bankern?

    Mehrwertsteuererhöhung auf 60%?

    Die Steuerbefreiung ab 120k/a?

    90% Steuern- und Sozialabgaben an alle unter 60k/a?

    Der Wiedereinstieg in die Atomenergie?

    ...

    Nicht lachen!

    Nicht hören, was sie sagen, sondern gucken, was sie real faktisch gemacht haben!

     

    "Es gibt nen alten Spruch in der SPD: Wer nicht arbeitet braucht auch nicht essen."

    oder

    "Man soll Politiker nicht immer an dem messen, was sie im Wahlkampf sagen."

     

    Letztens fragte mich jemand:

    "Sag mal, was ist eigentlich mit den Deutschen los? Warum lassen die sich das alles gefallen?"

    "Tja ", sagte ich, "die Deutschen sind Herrschergläubig. Mit denen kann man alles machen, vor lauter Angst keine Führung mehr zu haben. Erst wenn sie mit dem Zahnfleisch im Gras liegen und auf ihnen rumgetrampelt wird fangen sie an, wirklich etwas ändern zu wollen - was aber noch lange nicht heisst, daß sie das dann auch tun werden. Vorher jedenfalls nicht."

     

    Ich guck mir das dann mal weiter kopfschüttelnd aus dem Ausland an, wie weiterhin nur zwischen Pest und Cholera gewechselt wird, und wünsch allen Daheimgebliebenen noch einen feuchtfröhlichen Untergang.

  • K
    Kommentator

    Als Kommunikationswissenschaftler versteht es Vogt, Schlechtes positiv(er) darzustellen.

     

    Daher biete ich hier einige Übersetzungen an:

     

    1. "In den Bereichen Steuern und Soziales ist die SPD nach wie vor viel zu zaghaft."

     

    Die SPD hat mit der Agenda 2010 Mittel- und vor allem Unterschicht massiv geschröpft und Oberschicht und vor allem Unternehmer mit massiven Steuervergünstigungen gestärkt.

    Sie ist daher ein zutiefst unsozialer Klassenkämpfer von oben geworden, ergo: anti-sozialdemokratisch wie FDP und CDU.

     

    2. "In der Gesundheitspolitik muss die Beitragsbemessungsgrenze erhöht werden, damit die Krankenkassen Brillen und Zahnersatz wieder zahlen können."

     

    Als Juso spiele ich zwar den linken Rebellen, aber gegen eine solidarische Bürgerversicherung bin auch ich, wegen der gewünschte Wahklientel von Besseverdienern mit Einkommen über 4000 € pro Monat.

    Schließlich ist die SPD eine Volkspartei und in besonderem Maße auf die Geldeliten in diesem Lande angewiesen. Nicht auf arme Leute ohne Geld, für die selbst Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Medikamenten ein finanzielles Problem darstellen.

     

    3. "Und wir müssen die Vorratsdatenspeicherung deutlich ablehnen."

     

    Die SPD ist in Bürgerrechtsfragen die übelste Partei von allen, ist sie immer noch etwas schlimmer als die Union am Beschneiden der Bürgerrechte beteiligt.

    Das könnte bürgerliche und naiv-linke SPD-Wähler verschrecken.

     

    usw. usf.

     

    PR at its best.

    Pinocchio würde SPD wählen!