Jungkonservative auf Bildungsreise: Links ist, wenn Autos brennen
Mit Geld des Familienministeriums besuchten mehrere JU-Delegationen Berlin. Unklar bleibt, was das mit Linksextremismus zu tun haben soll.
BERLIN taz | Es war ein besonderes Programm, das sich die Junge Union (JU) Köln da ausgedacht hatte. Unter dem Motto "Wir fahren nach Berlin – gegen Linksextremismus" wollten die Nachwuchskonservativen Sehenswürdigkeiten wie den Checkpoint Charlie oder die Gedenkstätte Berliner Mauer besuchen.
Und am Abend einen "gemeinsamen Ausflug in das Berliner Nachtleben" unternehmen. Finanzier dieser und zweier weiterer JU-Fahrten: das Familienministerium. Kosten: 29.000 Euro.
Auch ein Abstecher zu einem ehemals besetzten Haus stand auf dem Programm. Was der Trip nach Berlin mit dem Kampf gegen linken Extremismus zu tun haben sollte, erklärte die Kölner JU so: Berlin sei eben bekannt als "Hauptstadt der angezündeten Autos". Nach heftiger öffentlicher Kritik sagten die Kölner Jungkonservativen die Reise ab.
Die JU-Landesverbände Hessen und Bayern hielten dagegen an ihrer Berlinfahrt "gegen Linksextremismus" fest. Auf dem Programm der Bayern stand unter anderem ein Besuch des ZDF-Hauptstadtstudios im Zollernhof – weil Erich Honecker und Egon Krenz dort mal als FDJ-Sekretäre ihre Büros hatten.
Außerdem diskutierte die bayerische JU-Delegation mit Unionsabgeordneten über das Buch "Ende der Geduld" der verstorbenen Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig. Was das mit Linksextremismus zu tun haben sollte, blieb allerdings auch nach Abschluss der Reise unklar.
Die JU Hessen besuchte das Stasimuseum und das Deutsche Historische Museum – und bekannte hinterher: "Ein Sachverhalt, der auf der Bildungsfahrt nicht genügend erörtert werden konnte, ist die Frage nach dem Linksextremismus heute."
Leser*innenkommentare
Autofrei oder Tod
Gast
Wenn Menschen angezündet werden, hat die JU offenbar keine Probleme.
Auto, Auto, Auto.....wer es nicht vergöttert ist links, wer es anzündet ist linksextrem.
Da der Hitlergruß heute verboten ist, wird eben nicht mehr der rechte Arm gehoben, sondern der rechte Fuß durchgedrückt.
IsNichWahr
Gast
Also mal aus dem Nähkästchen geplaudert.
Ich war selber (leider) lange Mitglied der pseudoelitären Rasselbande JU und habe auch an einigen Fahrten dieser teilgenommen. Diese Fahrten haben jeweils wunderbare Mottos gehabt, aber im Endeffekt liefen sie alle nur auf ein bis zwei Dinge hinaus, zum ersten Seilschaften knüpfen, was bei den meisten Mitgliedern, nebst der Erfüllung der familiären Pflicht, als oberste Priorität gilt und dann als zweites natürlich noch auf Kosten der Partei (eher selten), Landes oder Ministerien feiern und sich selbst beweihräuchern. Es herrschte nie wirklich das Bedürfnis, egal auf welcher Fahrt und zu welchem Thema, sich zu bilden oder den Horizont zu erweitern, zumeist lief es darauf hinaus, dass vom Veranstalter (sei es nun Kreis/Stadt/Landesverband oder Ministerium) die bestehende Meinung zum jeweiligen Topic bestätigt und evtl noch sogar mit neuen Ressentiments unterfüttert wurde. Diese Fahrten zur "politischen" Bildung sind eine reine Fars und man sollte genauer hinsehen, wohin Gelder aus öffentlichen Mitteln wandern. 30 betrunkene niederfränkische Jungkonservative auf staatskosten in Berlin in ihrer eh schon vorgefestigten Meinung zu bestärken sollte auf jedenfall nicht mit Geldern finanziert werden, die eigentlich in die Familienförderung gehören.
gundi
Gast
Die Sachfrage, ob es sich hierbei um eine (förderungsfähige) Bildungsreise handelte tritt offensichtlich hinter den vermeintlichen Sachverhalt des zu erörtenden Linksextremismus zurück, ähnlich wie die Frage nach der Begegnung des Rechtsextremismus hinter die vorgeschobene Frage nach der Legitimation und Verfassungstreue der Kontrahenten zurücktreten muss. Als Reiseführer empfiehlt sich jene umstrittene Broschüre der Münchner Zeitbild-Stiftung, welche wie die Reisen vom bmfsfj gefördert werden.
Frau Schröders System ist so offensichtlich, dass Ihre Teilnahme an der "Gedenkfeier für Opfer der rechtsextremen Mordserie" offensichtlich deren Spott diente.
Taminoben
Gast
Den Dödeln von der JU sei gesagt: Wenn dort wo Autos brennen Linksextremismus ist, dann ist dort wo Menschen brennen und Menschen erschossen werden Rechtsextremismus. Um zu einer so einfachen Gleichung zu kommen muss man nicht einmal groß politisch motiviert sein.
Staatsbürger
Gast
Das ideologische Niveau der Konservativen nimmt auch immer mehr ab. Sei es die freiwillige Kapitulation vor der ökonomischen Eindimensionalität des Neoliberalismus, oder jetzt die vermehrt populistische Märchenwelt gegen gesellschaftlicher Verantwortung zur Abwehr von Sachkritik.
thbode´s Liste weiter geführt:
Frankfurt: Hort der menschenverachtenden und ökonomisch hirnrissigen pseudo-Globalisierung.
Berlin: Stätte der lobbyistisch überformten Demokratie.
Besuch des CDU - und SPD Parteitages: Rituale der simulierten Demokratie - Wie "Eliten" ihre Gefolgsleute für dumm verkaufen
Verschiedene Orte: Gated Communities im Entstehen - Städte im Wandel neoliberaler Dekadenz.
Fazit: Die CDU Kaffefahrt kommt über das Niveau von N24 oder n-tv Propaganda nicht hinaus.
nassauern
Gast
Die JU nassauert (bedinet sich fremder Gelder), um sich Privatausflüge nach Berlin vom Staat finanzieren zu lassen. So wird heutzutage die politische Karriere begonnen, damit 'man' schon mal Erfahrung darin bekommt, wie dann später (als Abgeordnete/r in Land und Bund) sich von LobbyistInnen aushalten läßt.
Das Handwerk wird als junger Mensch gelernt.
Abstoßend, widerlich!
Aber mit dem Finger auf die DDR-Politiker/innen zeigen und sich echauffieren. Was für ein himmelschreiender, eklantanter Widerspruch.
Bernd Weiße
Gast
Mensch, taz. Bringt ihr euren Autoren das kleine Einmaleins des Journalismus nicht bei? Fakten sind vor dem Veröffentlichen immer noch mal zu prüfen. Das Buch von Heisig heißt nicht "Ende der Gewalt", sondern "Ende der Geduld". Und wenn sich der Herr Schmidt die Mühe gemacht hätte, in das Buch zu schauen, wäre ihm nicht nur aufgefallen, dass der Titel anders lautet, sondern auch, dass darin durchaus eine dezidierte Position zum 'linken Extremismus' vertreten wird.
Konrad
Gast
Ich wäre dafür Jusos und jungen Grünen eine Bildungsreise nach Oberbayern zu bezahlen.
Dort arbeiten alle Menschen, studieren, machen eine Ausbildung und bezahlen Steuern und Sozialabgaben. Deshalb funktioniert dort auch der soziale Ausgleich und es gibt keinerlei Probleme bei der Integration von Zuwanderern bzw. keinerlei nennenswerte rechtsradikale Szene.
Ergo: Kein Bedarf für Klassenkampf...
MFG
imation
Gast
"Links ist, wenn Autos brennen"
Wenn man im F-hain wohnt kann einem das schon so vorkommen.
slartibartfass
Gast
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früher war ja alles besser, da wurden berlinbesäufnisklassenfahrten auch vom bund finaziert. haben viel spass gehabt incl. 1tag pflichtbesuch in der sbz und zum ausschlafen vortrag im amerikahaus? (war zu verkatert).ich geh jetzt zur seninorenunion und lasse mir die arktiskreuzfahrt bezahlen.thema: gulags auf kamtschuka vorgestern gestern und morgen
Flint
Gast
Das mit dem Linksextremismus ist natürlich Unsinn, aber solche "Einladungen" nach Berlin gibt es in jeder im Bundestag vertretenen Partei.
Ich selbst bin auf Kosten des Steuerzahlers nach Berlin eingeladen worden, jedoch von der SPD - das Nachtleben jedoch wurde uns allerdings nicht finanziert.
Der Skandal ist hier einfach der lächerliche Hintergrund der Fahrt, wobei ich mir sicher bin, daß dies auch nur ein grenzdebiles Motto für eine immer wieder stattfindende Fahrt war.
Was erwartet man denn sonst von der JU?
thbode
Gast
Das ist ungerecht. Ich will auch so einen schönen Städte-Trip spendiert bekommen! Muss man dazu in die JU, oder geht auch ein andere Verein?
Wie wär's mit Rom (Stätten der Christenverfolgung/ religiöser Intoleranz), Paris (naja, Guillotine und so), Wien oder Prag wären auch ok.