Junge Spanierin über ihre Generation: „Wir sind bescheiden“
Die spanische Jugend ist arbeitslos und verwöhnt, ihre einzigen Vorbilder sind die erfolgreichen gleichaltrigen Sportler. Denn die Politiker sind verhasst.
taz: Frau Guelfi, die Hälfte der jungen Erwachsenen in Spanien hat keine Arbeit. Zugleich feiert sie die Erfolge ihrer gleichaltrigen Nationalspieler. Wie fühlt sich das an?
Natalia Guelfi: Die jungen Leute sind ja nicht nur arbeitslos, ihnen fehlt es oft auch an Berufserfahrung. Die vergangenen Jahrzehnte waren ökonomisch so gut, dass die Jugendlichen die Möglichkeit hatten, zu studieren, aber nicht die Notwendigkeit sahen, zu arbeiten. Dieses Paradox zeigt sich jetzt in der Krise: Um einen Job zu bekommen, musst du studiert haben und Erfahrungen mitbringen. Und die wurden vernachlässigt.
Ging es ihnen zu gut, um sich auf die jetzige Situation vorzubereiten?
Viele haben nicht gelernt, wie man Geld verdient. Geld und Konsum werden sehr geschätzt, aber es fehlt am Willen, das selber zu erreichen. Genauso ist es mit der Politik.
Wie meinen Sie das?
Die Jugend war über Jahrzehnte unpolitisch, was auch allen recht war. Jetzt ändert sich das, die Jugend geht auf die Straße, hat im Internet ihre eigenen Wege gefunden, sich zu informieren und zu kommunizieren, und stellt Forderungen. Das wird nicht aufhören, im Gegenteil – sie haben ja Zeit.
36, lebt in Madrid und arbeitet für Salud por Derecho, eine Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte und Gesundheit.
Welche Rolle spielt der Sport?
Der Sport insgesamt ist sehr gut entwickelt, wirklich viele Jugendliche treiben Sport. Und der Reichtum der vergangenen Jahre hat das zugelassen, viele wohlhabende Eltern haben ihre Kinder Sport treiben lassen, es gab viel Förderung. Und die Nationalmannschaft ist ein Vorbild für viele. Unter unseren Nationalspielern ist kein arroganter Ronaldo, sie sind bescheiden und solidarisch – das freut sehr viele hier. Es geht um den sportlichen Erfolg, aber auch um das Bild, das Xabi Alonso, Andres Iniesta und die anderen vermitteln. Hier finden sie Vorbilder.
Die fehlen sonst?
Ja, die Jugend hasst die Politik und die Politiker. Sie sieht die Korruption und diese Haltung, die sie jahrelang vorgelebt bekommen hat: dass es so einfach sei, sich einen BMW oder einen Audi leisten zu können. Ihnen wurde immer vermittelt, dass alles ganz einfach ist. Aber immer auf dem kurzen Weg, der wichtige Werte und Normen umgeht. Das wollen sie nicht mehr.
Was wird aus der Bewegung?
Ich glaube, das wird noch explodieren. Es gibt schon jetzt viele, denen es schlecht geht. Die spanische Gesellschaft ist sehr ruhig, manchmal wirkt sie eingeschlafen. Dann heißt es immer, es wird schon gut gehen, wir werden schon durchkommen. Aber wenn es so ans Fundament geht und die Leute merken, was es heißt, dass die nächsten zwei Generationen verschuldet sein werden, also die jetzige Jugend und deren Kinder, dann werden sie wollen, dass sich etwas grundlegend ändert.
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