: Junge Rechte erobern die Mehrheit
■ Rechtskonservativer Abgeordneter löst bei Junger Union liberalen Vorsitzenden ab. Auch in der Fraktion formiert sich Widerstand gegen den Kurs des Vorsitzenden Klaus Landowsky
Bei der Jungen Union bahnt sich ein Richtungswechsel an. Der CDU-Nachwuchsverband wird am kommenden Samstag voraussichtlich den Spandauer Abgeordneten Kai Wegner zum neuen Landesvorsitzenden wählen. Der 27-jährige Kaufmann zählt zum Kreis der innerparteilichen Gegner des Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen. Sie werfen der Parteiführung vor, zu wenig konservatives Profil zu zeigen. Als politische Vorbilder nennt Wegner den CDU-Rechtsaußen und früheren Innensenator Heinrich Lummer sowie den CSU-Politiker Edmund Stoiber.
Der bisherige JU-Vorsitzende Thorsten Reschke, der in den vergangenen vier Jahren einen liberaleren Kurs vertrat, tritt nicht zur Wiederwahl an. Er hatte im vergangenen Jahr eine ausländerfeindliche Aufkleberkampagne des Kreuzberger Bezirksverbands scharf verurteilt. Vor Reschkes Wahl 1996 hatte der CDU-Nachwuchs mit derartigen Aktionen am rechten Rand des politischen Spektrums regelmäßig Aufsehen erregt. Kritiker des Kurswechsels befürchten eine Rückkehr zum Rabauken-Image.
Auch in der Fraktion wächst unter den jungen Abgeordneten die Kritik an Diepgen und dem Fraktionschef Klaus Landowsky. Sie organisierten sich am Wochenende als „Junge Gruppe“ innerhalb der Fraktion. Aus diesem Anlass forderte der Zehlendorfer Abgeordnete Marcus Mierendorff, das „Kastrations- und Kommandosystem Landowsky“ abzuschaffen. Mierendorff kritisierte insbesondere, dass auch drei Monate nach der Wahl noch immer nicht klar sei, wen die CDU-Fraktion in die Ausschüsse entsendet: „Das ist eine Verschleppung der parlamentarischen Arbeit.“ Auch der Weddinger Abgeordnete Heiner Kausch hatte bemängelt, dass die „Fraktion kein überzeugendes Management bei der Besetzung der Fachausschüsse“ gezeigt habe.
Der Anteil der Jungparlamentarier ist bei der CDU so hoch wie in keiner anderen Fraktion. Weil das Wahlergebnis weit besser ausfiel als Monate zuvor erwartet, erhielten auch vermeintlich aussichtslose Kandidaten ein Mandat. Von den insgesamt 76 Abgeordneten sind 20 jünger als 40 Jahre. Viele von ihnen entstammen allerdings Kreisverbänden, die der Parteispitze um Diepgen und Landowsky kritisch gegenüberstehen.
Nach wie vor plädieren viele Berliner Christdemokraten dafür, den in die Koalitionsdisziplin eingebundenen Diepgen im Landesvorsitz abzulösen, um das konservative Profil der Partei zu schärfen. Bisher ist dieser Machtwechsel aber immer wieder verschoben worden. Seit Diepgens Wahlsieg im Oktober hatten sich seine innerparteilichen Gegner allerdings mit öffentlicher Kritik zurückgehalten. Lediglich das Scheitern der Kandidatur des Diepgen-Freundes Rüdiger Jakesch für das Amt des Parlamentspräsidenten war als Indiz gewertet worden, dass die Kritiker in der Fraktion eine Mehrheit stellen.
Auch die Revolte der jungen Abgeordneten scheint vorerst vertagt zu sein. Vor der Presse versuchte sich der Fraktionsnachwuchs gestern in lauen Dementis. Die Kritik richte sich „nicht frontal“ gegen Landowsky, sagte der künftige JU-Chef Wegner. Die verzögerte Ausschussbesetzung wollte er der Fraktionsspitze gestern nur noch „ein Stück weit“ ankreiden. Auch Mierendorff hat sich durch Gespräche mit älteren Abgeordneten überzeugt, dass früher „alles viel schlimmer“ gewesen sei. „Ich glaube, der Klaus Landowsky und ich haben kein Problem“, versicherte Mierendorff. Auf seine Äußerungen vom Wochenende angesprochen, fügte er allerdings hinzu: „Da ist nichts zurückzunehmen.“
Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen