Junge CDU-Mitglieder: Autos – oder halt Politik
Warum tritt ein Student in eine Partei ein? Und dann auch noch in die CDU? Eine Begegnung mit einem, der so an der Basis etwas bewegen will.
Jasper Schwenzow ist erst wenige Tage Mitglied in der Christlich Demokratischen Union, als er sich eines abends auf den Weg macht von seiner Studenten-WG ins Stadtzentrum von Cottbus, zu dem Gebäudeklotz mit den vielen Glasfenstern, auf denen in knalligem Rot diese drei Buchstaben stehen: C – D – U. Es ist Mitte März, die Straßen liegen noch voller Schnee. Schwenzow geht zügig. Er ist ein zügiger Typ.
Im Wahlkreisbüro von Professor Michael Schierack, dem Cottbusser Landtagsabgeordneten, umkreisen schon einige junge Männer in Jeans und Hemden die Tische, als würde hier gleich etwas losgehen, darunter der Vorsitzende der örtlichen Jungen Union und der Vorsitzende des örtlichen Studentenverbandes RCDS.
Jasper Schwenzow, 21 Jahre alt, Student des Wirtschaftsingenieurwesens, Vertiefung Produktionstechnik, geboren in Ahaus, von dem er sagt, es sei schwarz wie die Nacht, grüßt den JU-Chef, Spitzname: Rossi, der sich vor die Fensterfront gestellt hat, die Hände unter die Achseln geklemmt. Draußen liegt Cottbus, schwarz wie Ahaus. Auf der Tagesordnung für den Stammtisch der Jungen Union Cottbus steht an Punkt eins „Hallo“ und an Punkt 3 „Land & Bund“.
Gleich wird ein Mann mit Schnurrbart, Tweed-Jackett und schwarz-rot marmorierter Krawatte, der im Herbst in den Bundestag will, sich an einen der Tische setzen und etwas zur Eisendioxidbelastung der Spree und der Finanzausstattung der Kommunen in den Raum hineinbrummeln. Klaus-Peter Schulze, CDU, Bürgermeister von Spremberg, wird den jungen Männern und der einen Frau seine Ansichten zum kommunalen Weltgeschehen darlegen. EEG-Umlage, Maisanbau, Zukunft des Braunkohletagebaus, überstürzter Atomausstieg. Schulze ist einer, der weiß, wie es ginge.
Warum tut er das?
Jasper Schwenzow, Mitgliedsnummer 5204-0-19668, wird sich am Ende, als der Bundestagskandidat beim Desaster Haupstadtflughafen angekommen ist, melden und wird fragen, ob Schulze eine Vorstellung habe, wie sich so etwas künftig verhindern ließe. Und spätestens da fragt man sich: Warum tritt ein junger Student wie Jasper Schwenzow in eine Partei wie die CDU ein?
Die Demokratie hat ein Nachwuchsproblem. Heißt es. Dabei gibt es sie: Junge Menschen, die in eine Partei eintreten. Die sonntaz hat sechs von ihnen begleitet – bis zu ihrem ersten Wahlkampf. Die Titelgeschichte „Wer macht denn sowas?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 24./25. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit der Ethnologin Yasmine Musharbash über Monster, und ein Porträt über Wolfgang Neskovic, der aus der Linksfraktion ausbrach, um allein zu kämpfen. Außerdem der sonntaz-Streit zur Frage: Braucht Deutschland Coffeeshops? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Was treibt junge Menschen, die gerade dabei sind, ihr Leben allein zu gestalten, die viele Möglichkeiten haben, in eine Partei? Mit quälend langweiligen Parteitagen, Anträgen, Rednerlisten und Ortsvereinen, die in Hinterzimmern von Kneipen tagen?
Für die Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 24./25. August haben taz-Reporterinnen und taz-Reporter sechs junge Menschen begleitet, die gerade erst in eine Partei eingetreten sind, um herauszufinden, was sie dazu motiviert hat und was sie jetzt in ihrem ersten Wahlkampf erleben.
Bei Jasper Schenzow, dem Cottbusser Studenten, war es seine Volksinitiative. „Da ist mir Politik zum ersten Mal richtig unangenehm aufgefallen“, sagt er. „Vieles tangiert einen ja sonst überhaupt nicht.“
Ein super Schüler
Nach dem Abitur hatte er angefangen, sich nach seiner Zukunft umzusehen. Er landete auf der Homepage der Universität Cottbus. Die Uni wirkte ambitioniert wie er es auch war. Schwenzow sagt, er sei immer einer der „ganz, ganz guten Schüler“ gewesen. Als er aufs Gymnasium ging, machte sich Gerhard Schröder gerade in einer Fernsehrunde unmöglich, bevor er dann einsehen musste, dass er kein Kanzler mehr war.
Schwenzow mochte den aber eigentlich ganz gerne. Mit 16 fühlte er sich der FDP nahe, aber er hatte Angst, sich zu sehr festzulegen, wenn er da schon einer Partei beitrat. Europa AG, Praktikum bei einem Abgeordneten, Jugendparlament. Er diskutierte gern. Als er damals im Bundestag war, fühlte sich das gut an. Die mächtigen Betongebäude. Das Zentrum Deutschlands.
Jasper Schwenzow entschied sich für die Uni Cottbus, die er für eine aufstrebende hielt. Schon nach wenigen Monaten merkte Schwenzow, dass sich die Dinge ganz anders entwickelten. Die Universität sollte mit einer Fachhochschule aus der Region zusammengelegt werden. Schwenzow wollte sich keine Zukunft als Fachhochschulabsolvent vorstellen. Er begann, Unterschriften gegen die Zusammenlegung zu sammeln. Sie sammelten so viele, dass sich ein Ausschuss des Landtags mit ihrer Forderung beschäftigen musste.
Der Ausschuss, dominiert von der Regierungspartei SPD, wies sie ab. So wurde Jasper Schwenzow politisiert. Er wollte das nicht hinnehmen. Mit der Jungen Union und den Jusos startete er ein Volksbegehren: „Hochschulen erhalten“.
Volleyballturnier der CDU Bautzen
„Gut“, sagt Schwenzow, er hat trainierte Oberarme und viele Judo-Medaillen überm Bett, „der eine begeistert sich für Autos, der andere für Politik.“ Eine Partei, sagt er, sei keine Firma. Es gibt für ihn nichts zu verdienen. „Der finanzielle Antrieb steht nicht an erster Stelle.“ Was dann? „Viele haben wohl so einen Hang“, sagt er, „die stehen gerne in der Öffentlichkeit. Tue ich selber auch.“
Bald ist Volleyballturnier der CDU Bautzen, da will er vielleicht hin. Er hat mit der Jungen Union einen Ausflug zum Stahlwerk Eisenhüttenstadt gemacht. Das alles klingt nicht gerade nach dem Traum eines jungen Mannes, der in eine international vernetzte Multioptionsgesellschaft hineingewachsen ist.
Jasper Schwenzow ist während der Proteste am Gezi-Park in Istanbul gewesen, ein kurzer Trip mit ein paar Jungs von der Jungen Union. Ihm sind in Istanbul Tränengasgranaten zwischen den Beinen durchgerutscht. Er war fasziniert, wie politisiert alle waren – im Vergleich zu der Brandenburger Gemächlichkeit.
Individuelle Entscheidung
Warum sich jemand für eine Partei entscheidet, ist heute viel schwerer auszumachen als früher, da sind sich Politologen einig. Die eigene Sozialisation, das Umfeld, die Familie sind Faktoren, aber nicht mehr so stark. Papa in der SPD = Sohn in der SPD? Das war einmal. Der Eintritt in eine Partei wird zunehmend individuell entschieden.
Jasper Schwenzow mag Merkel. Er hat bundespolitisch so ein paar Ansichten. Homo-Ehe: warum nicht? Zu vielen Positionen sagt er aber einfach: „Dafür habe ich nicht ausreichend Informationen, um zu sagen: Also das ist jetzt echt ein Fehler.“ Grundsätzlich findet er: „Man sollte nicht zu leichtfertig an groben Stellschrauben drehen.“ Er glaubt an die Werte dieser Partei, vor allem aber scheint er an ihre Vorsitzende zu glauben.
Sind Menschen wie Jasper Schwenzow bewundernswerte Idealisten, die mit ihrem Engagement unsere Demokratie retten? Oder müsste man sich besser ganz woanders engagieren, außerparlamentarisch, weil das im Parteisumpf eh zu wenig bringt? Können wir noch an Parteien glauben?
Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!
Die Titelgeschichte "Wer macht denn sowas?" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 24./25. August 2013.
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