Jugendzentrum soll Räume verlassen: Potse muss räumen – und feiert doch

Das Jugendzentrum Potse muss nach einem Gerichtsurteil seine Räume verlassen. Hilfe kommt unerwartet vom Bezirk.

Vor dem Eckhaus an der Potsdamer Straße fährt ein Auto und eine Person auf einem Roller.

Seit rund 40 Jahren sitzt die Potse in der Potsdamer Straße. Damit soll jetzt Schluss sein Foto: Paul Zinken, dpa

BERLIN taz | Nicht einmal eine Minute dauert die Urteilsverkündung am Mittwochmorgen, dann ist besiegelt, wovon ausgegangen werden musste: Das selbstverwaltete Jugendzentrum Potse in der Potsdamer Straße 180 darf vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg geräumt werden. Bei der Verkündung handelte es sich um ein sogenanntes Versäumnisurteil, da die Anwälte der Potse während der ersten Sitzung im Januar den Saal verlassen hatten. Sie warfen dem Richter damals Befangenheit vor, was mittlerweile zurückgewiesen wurde. 



Vor der Potse versammeln sich daraufhin am Mittwochmittag Unterstützer*innen des Jugendzentrums. „Das Urteil ist für uns keine Überraschung. Wir haben uns darum bewusst nicht am Gericht getroffen, weil wir das Urteil nicht annehmen“, sagt Paul, ein Sprecher des Jugendzentrums. Für ihn und das Potse-Kollektiv sei sicher: „Wir werden auch weiterhin in unseren Räumen bleiben.“

Die Potse besteht seit rund 40 Jahren. Zusammen mit dem Drugstore, das im selben Gebäude untergebracht war, zählt sie zu den ältesten Jugendzen­tren Berlins. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hatte zivilrechtlich gegen den Potse e. V geklagt.

Der Bezirk ist selbst nur Mieter der Räume, in denen die Potse sitzt. Er ließ den Vertrag mit dem Eigentümer am Jahresende 2018 aber wegen einer Miet­erhöhung auslaufen – damit endete auch der Nutzungsvertrag zwischen dem Bezirk und den Jugendzentren. Während das Drugstore tatsächlich auszog, ignorierte die Potse die Schlüsselübergabe. Seitdem sind die Räume besetzt.

Urteil noch nicht rechtskräftig



„Wir brauchen angemessene Ersatzräume“, sagt Paul, diese müssten aber nicht nur vom Bezirk gefunden werden. „Das Land Berlin kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen, das Problem kann nur auf Landesebene gelöst werden.“ Das Jugendzen­trum Drugstore ist nach dem erzwungenem ­Auszug nun seit eineinhalb Jahren ohne Bleibe. Ein Ersatzraum ist zwar gefunden, kann aber erst im nächsten Jahr bezogen ­werden.

„Wenn wir keine Räume bekommen, ist nicht auszuschließen, dass Jugendliche andere Räume besetzen“, sagt Paul. Zuletzt hatte das Potse-Kollektiv am 28. Juni leer stehende Räume auf dem Dragoner-Areal in Kreuzberg besetzt, wo nach 26 Stunden geräumt wurde.

Rechtskräftig ist das vom Landesgericht verkündete Urteil zur Räumung des Jugendzentrums noch nicht, der Räumungstitel wurde erst einmal nur verkündet, innerhalb von zwei Wochen kann Einspruch erhoben werden. Dass die Potse diesen Schritt geht, sei aber sehr unwahrscheinlich, sagt der Sprecher des Jugendzentrums, da die Erfolgschancen gering seien.

Bezirk will nach Lösung suchen



Einen Grund zur Hoffnung gibt es aber trotzdem: Der Jugendstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schwork (SPD), sagte im rbb-Inforadio, man würde das Jugendzentrum nicht sofort räumen, sondern weiter nach Lösungen suchen. „Das kam für uns sehr überraschend. Vom Bezirk hat mit uns bisher niemand darüber gesprochen“, sagt Paul. 



Dass das Potse-Kollektiv in den Nachrichten von den Plänen des Bezirks erfahre, zeige, wie schlecht die Verhandlungen mit der Stadt laufen. „Es hilft uns aber wenig, wenn einzelne Politiker betonen, wie wichtig Jugendzentren sind, aber am Ende nichts passiert.“


Die Unterstützer*innen zeigen sich während der Kundgebung dennoch erstaunlich ausgelassen. Jugendliche haben Kuchen mitgebracht, im Hintergrund hängt ein Transparent mit dem Schriftzug „Drugstore lebt. Never rent in peace“. Auch Paul gibt sich positiv: „Wir machen uns heute einen schönen Tag, spielen Musik und zeigen dem Bezirk, wie wichtig unsere Jugendarbeit ist.“

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