Jugendtheater: Eigene Sprache gefunden
Mit einer russischen Produktion startete das "Internationale Jugendtheaterfestival Explosive" im Schlachthof. Elf Gruppen treten bis Donnerstag auf.
Verschreckt in sich zusammengerollt liegt das Menschenkind am Boden. Um es herum alles dunkel. Aus dem Schwarz kommt ein Rudel Wölfe hervor, umzingelt das Bündel Mensch. Erst bedrohlich knurrend, dann neugierig schnuppernd. Trommelrhythmen begleiten die Szene. Mit der Performance "A Man's Cub" eröffnete eine russische Produktion am Donnerstag das "Internationale Jugendtheaterfestival Explosive" im Kulturzentrum Schlachthof. 20 SchauspielstudentInnen der "Sankt Petersburg State Theatre Arts Academy" brachten Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" in der Kesselhalle auf die Bühne.
Mit großer Darstellungskraft, denn auf Worte verzichtete Regisseur Sergey Byzgu in seiner Inszenierung gänzlich. Die Handlung wurde ausschließlich mit Gestik und Mimik dargestellt, getragen von treibenden Rhythmen. Ein kraftvoller Auftakt für die zwölfte Auflage des Festivals mit Jugendtheaterproduktionen aus aller Welt. Bis kommenden Donnerstag noch zeigen sie ihre Stücke in verschiedenen Spielstätten. "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Tendenzen im Jugendtheater, nach Gruppen, die eine eigene Sprache gefunden haben, sich auszudrücken", sagt Barbara Hirsch, die das Festival gemeinsam mit dem Regisseur und Autoren Thorsten Wilrodt leitet.
Knapp 100 Bewerbungen von Gruppen weltweit sind in diesem Jahr eingegangen, unter anderem aus Jamaika, dem Iran oder dem Irak. Ausgewählt wurden elf davon, von unkonventionellem bis zu klassischem Jugendtheater. Darunter Produktionen aus Finnland, Palästina, Brasilien und Belgien, aber auch Bremer Stücke der "Jungen Akteure" oder des "tanzwerks". Die Klammer bilde die Auseinandersetzung mit dem Erwachsenwerden. "Die schwingt bei allen Produktionen mit", so Hirsch, "die beschäftigt ja auch alle Jugendliche." Die palästinensische Gruppe "The Freedom Group Jenin" etwa thematisiere das Jungsein unter den Lebensbedingungen in einem Flüchtlingslager.
Hinzugekommen sind in diesem Jahr neue Spielstätten: Das Concordia, das Kontorhaus Schildstraße und die Mehrzweckhalle des Schulzentrums Butjadinger Straße. Dort tritt am Dienstag die brasilianische Tanzformation "Grupo Ia a" auf. Anschließend bieten die TänzerInnen Workshops für die SchülerInnen an. "Viele finden den Weg zu uns ins Theater nicht selbst", sagt Hirsch, "deshalb gehen wir auf sie zu."
Seit 15 Jahren gibt es das Jugendtheaterfestival mittlerweile. Interesse kommt von Theaterschaffenden weltweit. "Explosive" wirke aber auch vor Ort, die Bremer Szene sei kontinuierlich gewachsen, so Hirsch. "Um so etwas über Jahre aufzubauen, braucht man kontinuierliche Förderung", sagt sie. 60.000 Euro umfasst der Etat aktuell, 34.000 kommen vom Schlachthof selbst, der Rest vom Kultursenator und Sponsoren. Wichtig seien auch Kooperationen wie die mit der "KinderKulturKarawane". Die hat die palästinensische "Freedom Group" nach Europa eingeladen. "Ohne ein solches Netzwerk wäre so etwas gar nicht zu leisten", sagt Hirsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!