Jugendrevolte in Spanien: "Das ist der Anfang einer Revolution"
Tausende Spanier besetzen den zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid. Wie sind die Besetzer organisiert? Und was sind ihre Ziele?
taz: Wer hat das Camp in Madrid organisiert?
Hernán: Das Camp unter dem Motto "Nehmt euch den Platz" ist eine spontane Aktion. Die Idee kam am Sonntag nach der Großdemonstration auf. Etwa hundert Menschen gingen nicht nach Hause, sondern besetzten den Platz. Mittlerweile haben wir eine breite Unterstützung in ganz Spanien. In den meisten größeren Städten gibt es Camps wie das unsere.
In der Nacht zu Mittwoch waren mehrere tausend Menschen auf dem Platz. Wie organisieren Sie das Zusammenleben hier mitten in der Stadt?
Wir haben verschiedene Kommissionen eingerichtet. Eine Gruppe, die weitere Aktionen debattiert und vorbereitet, eine Gruppe, die die Reinigung des Platzes organisiert, andere kümmern sich um die Infrastruktur, das heißt um die Sonnendächer, Matratzen, Sitzgelegenheiten und so weiter. Dann gibt es die Sprecher, die Küchengruppe - und eine Gruppe von Anwälten, die sich um die rechtlichen Angelegenheiten kümmert.
Klingt nach einer umfangreichen Organisation.
Was uns noch fehlt, ist eine Sanitätergruppe. Aber wir hoffen, dass sich im Laufe des Tages auch dafür Freiwillige mit Erfahrung melden.
Anfang 20 und einer der Sprecher des Protestcamps Madrid. Weitere Angaben zu seiner Person lehnt er ebenso ab wie ein Foto. Er sei "nur einer von vielen".
***
Der taz-Autor Reiner Wandler hat auf seinem Blog zahlreiche Fotos von den Aktionen in Madrid eingestellt.
Viele Medien ziehen Parallelen zu der Besetzung des Tahrir- Platzes in Kairo. Stand die ägyptische Revolution Pate für das Camp?
Alles steht irgendwie im Zusammenhang. Das hier ist eine intellektuelle Revolution. Und wir versuchen dem, was uns in Nordafrika vorgemacht wurde, auch hier gerecht zu werden. Auch hier in Europa brauchen wir einen Wandel. Mit unserem Camp wollen wir dies der Bevölkerung hier in Europa verständlich machen.
In Ägypten ging es um den Sturz einer Diktatur, in Spanien hingegen geht es um Forderungen innerhalb eines demokratischen Systems, oder?
Beide Proteste gehen von der tiefen, breiten Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen aus und sind in der Lage, breite Solidarität zu erzeugen. Das haben wir mit den Menschen in Ägypten gemeinsam.
Was passiert nach den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag?
Das werden wir in den kommenden Tagen auf den Versammlungen entscheiden. Das ist erst der Anfang einer Revolution.
Einer Revolution?
Ja, wir wollen das Ende dieses aggressiven Zweiparteiensystems, das die gesamte Gesellschaft kontrolliert und paralysiert. Wir wollen eine echte Meinungsvielfalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland